Bei den Saßmannshausens in ihrem Smarthome wird kein Kilowatt unbemerkt verpulvert. Ein kleines Gerät macht's möglich.

Gerade verbraucht das Haus der Familie Saßmannshausen 1028 Watt. So steht es auf dem Bildschirm in der Küche. Konkret heißt das: Wenn der Stromverbrauch auf diesem Level bleibt, verbraucht das Haus der vierköpfigen Familie pro Stunde etwa 25 Cent. Nicht schlecht für einen frühen Sonnabendnachmittag, an dem alle zu Hause sind. Kaffeemaschine und Aquarium laufen, der Springbrunnen im Garten plätschert, der Kühlschrank brummt, in den Kinderzimmern dudeln CD-Player und Radio, Computer und Drucker stehen auf Stand-by.

All das verrät das Display mit dem blinkenden Touchscreen, das an der Küchenwand zwischen Tür und Kühlschrank montiert ist. Die Verbrauchsanzeige ist der computergesteuerte Energiemanager des Hauses. Vater Ralph Saßmannshausen hat ihn selbst programmiert, auch die elektrischen Leitungen vom Keller bis auf den Dachboden hat er selbst verlegt. Der vernetzte Hightech-Energiemanager an der Küchenwand verrät ihm, welche Geräte in welchen Zimmern gerade in Betrieb sind und wie viel Strom sie fressen. Er zeigt auch an, welche Fenster gerade geöffnet und wie die Raumtemperaturen sind. Er zeigt alles an, was "on" und "off" und in Sachen Stromverbrauch wichtig ist.

Ralph Saßmannshausen, 44, Diplomingenieur und als Fachdozent beim Bundestechnologiezentrum für Elektro- und Informationstechnik (BFE) in Oldenburg beschäftigt, ist mit der Berufsschullehrerin Anne, 42, verheiratet, die Tochter ist acht, der Sohn elf Jahre alt.

Saßmannshausen kann die Anzeige des Hausenergiemanagers auch auf den Computerbildschirm ziehen, wie er stolz zeigt, oder - "noch viel besser" - aufs Smartphone. Die Rollos, das Aquarium, die Zimmerbeleuchtungen - alles ist somit auch ferngesteuert. "Wir wohnen als eine von ganz wenigen deutschen Durchschnittsfamilien in einem intelligenten Haus", sagt Ralph Saßmannshausen. Seine Frau nickt, lächelt und schenkt Kaffee nach, die Kinder nicken auch und grinsen. "Egal ob ich in Hannover, Hamburg oder Hongkong unterwegs bin, ich kann über mein Handy jederzeit von außen hineingucken ins Haus, quasi in jedes unserer ans Stromnetz angeschlossenen Geräte", sagt der Familienvater. Er kann die Verbrauchskurven der letzten Stunden, Tage, Wochen oder Monate auf den Bildschirm ziehen und analysieren.

Er nimmt sich noch einen Keks. Er könne aus dem Büro, Auto oder Restaurant kontrollieren, ob die Kinder nach der Schule gerade wieder mal länger als verabredet vorm Computer hocken, heimlich nach dem Zubettgehen noch CD hören, ob die Waschmaschine bei 30, 60 oder 90 Grad läuft, ob jemand die Haare föhnt, ob die Spülmaschine im Sparmodus oder auf voller Leistung spült oder die Heizung wummert, weil mal wieder irgendjemand vergessen hat, die Fenster zu schließen. Er kann den Fernseher, den Kühlschrank wie jedes der ungefähr 40 technischen Geräte im Haus und auch die meisten Lampen ein- oder ausschalten, entweder über den zentralen Touchscreen in der Küche oder über das Smartphone von außerhalb. Manchmal macht er sich auch einen Spaß daraus, und seine Frau steht plötzlich vor dem Schminkspiegel im Dunkeln. Oder die Kinder werden beim Computerspiel wie von Geisterhand unterbrochen. Dann hat Papa die Hand im Spiel.

Auf diese Weise kann die Familie viele Baustellen schnell erkennen: "Wenn der Wäschetrockner plötzlich mehr Strom verbraucht, wissen wir, dass das Flusensieb mal wieder eine Reinigung vertragen könnte", sagt Anne Saßmannshausen. "Wenn die Gefriertruhe verdächtig viel Strom frisst, muss sie mal wieder abgetaut werden", ergänzt ihr Sohn stolz. "Wenn das Display blinkt, habe ich meist vergessen, in meinem Zimmer den CD-Player auszuschalten", sagt die Tochter.

Die Saßmannshausens wohnen seit 1999 in ihrem 130 Quadratmeter großen Eigenheim, einer Doppelhaushälfte inmitten einer verkehrsberuhigten Wohnsiedlung in Oldenburg. Es gibt einen bunten Vorgarten und hinter dem Haus einen Garten mit Terrasse, Strandkorb, Bäumen, Büschen und Auslauf für den Dackel. Der Diplomingenieur schaltet den Familien-Energiemanager in der Küche jetzt auf Sprachmodus. "Energieverbrauch 540 Watt", sagt die Frauenstimme des Spezialcomputers. Der Garten-Springbrunnen plätschert nicht mehr, der Kaffee ist längst durchgelaufen, einige Lichter wurden drinnen gelöscht.

Das Haus ist ein "Smarthome", erklärt Ralph Saßmannshausen dem noch immer staunenden Besucher. Ihm macht es Spaß, in einem solchen Haus zu leben. Ob seine Frau und Kinder es immer genauso sehen, da ist er sich nicht sicher. Denn in puncto technische Geräte gibt es bei den Saßmannshausens keine Geheimnisse. Alles ist transparent und kontrollierbar.

Schon als Jugendlicher war Saßmannshausen ein "Bastler und Tüftler" gewesen, sagt er. Das "energieeffiziente Haus" war seine Vision. Heute ist er ein Vorreiter in Sachen sparsamer Umgang mit kostbarer Energie. Die technische Grundlage dafür hat er vor zwölf Jahren in seinem Keller gelegt.

Damals hat er dafür "gerade mal so viel investiert, was heute ein iPhone kostet". Es sei nämlich gar nicht so kompliziert, ein Haus oder eine Wohnung auf Energieeffizienz zu trimmen und die Kontrolle über den Stromverbrauch der Hausgeräte zu erlangen, meint Saßmannshausen. Jeder bessere Elektriker könne das heute, im Fachhandel gebe es alles, was man braucht: "Das ist Regalware, gar nichts Exotisches mehr. Aber es gibt einfach noch zu wenige, die sich ans Smarthome heranwagen." 6000 Euro hat der Ingenieur von 1999 bis heute in das "Stromverbrauchs-Controlling-System" seiner Doppelhaushälfte gesteckt. "Ich habe ein bisschen mehr investiert, weil es mein Hobby ist. Andere Väter haben ihre Modelleisenbahn, ich hab mein Smarthome."

Gebäudeautomation ist nicht nur Ralph Saßmannshausens Leidenschaft, sie ist auch sein Beruf. Im BFE in Oldenburg schult er Elektroniker, Mechatroniker und Elektrotechniker, die ihren Meister machen, sich fortbilden oder spezialisieren wollen. Er hält Vorträge auf Fachmessen wie der CeBIT und pflegt Kontakt zu Energiekonzernen, Elektronikunternehmen und Haushaltsgeräteherstellern. Inzwischen ist er ein anerkannter Strom-Spezialist. Ein Vordenker.

Der schwarze Stromzähler im Keller, wie ihn die meisten Deutschen heute noch haben, ist für ihn ein "Relikt der Vergangenheit", so wie eine mechanische Schreibmaschine im Computerzeitalter: "Viele haben noch immer diesen klotzigen Kasten, zahlen brav die monatlichen Raten für Strom und kommen ins Schwitzen, wenn sie einmal im Jahr die Stromabrechnung kriegen. Das verstehe ich nicht. Wir verabschieden uns heute von der Kernenergie, und eine Menge Menschen befürchten, dass die Energiepreise explodieren. Da muss es doch dem schwarzen Stromkasten endlich mal an den Kragen gehen."

Den Verbrauchern bringt der schwarze Zählerkasten tatsächlich kaum Aufklärung. Was sie brauchen, sind Verbrauchs- oder Leistungsanzeiger. "Ohne Leistungsmessung keine Leistungsregelung. Ohne Leistungsanzeige keine Optimierung", sagt Saßmannshausen. Im Grunde ist es wie im Straßenverkehr. Durch die Tankanzeige im Auto und die Kontrolle des Benzinverbrauchs verändert sich beim einzelnen Fahrer das Fahrverhalten. Geringer Verbrauch, sparsames Fahren sind heute ganz selbstverständlich - antike Spritfresser leisten sich nur noch Oldie-Klubs. Genauso müsste es auch beim häuslichen Stromverbrauch laufen, findet Saßmannshausen: "Ein Autofahrer weiß, zehn Liter auf 100 Kilometer sind zu viel. Aber was der Verbrauch von 1500 Watt in der Wohnung bedeutet, davon hat der Stromverbraucher keine Ahnung."

Ralph Saßmannshausen weiß ganz genau, was die Geräte in seinem Smarthome verbrauchen, wenn sie laufen oder im Stand-by-Modus sind, und das 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. Das habe auch etwas mit Umweltschutz und der Erziehung seiner Kinder zu tun: "Meine haben früh gelernt, dass Strom nicht einfach nur aus der Steckdose kommt und immer da ist."

Seine Tochter erzählt, sie spiele mit ihrem Bruder manchmal "Energiedetektive". Dann versuchen sie, versteckte Energieverschwender in ihren Zimmern aufzuspüren. Das klappt gut. Nur noch selten vergessen sie, Geräte und Licht auszuschalten. Was sie sparen, wandert nämlich direkt in ihre Sparschweine. "Wenn Mama Geschirr bei 70 Grad spült, dann sage ich ihr manchmal, dass die Teller und Pfannen und Töpfe doch gar nicht so schmutzig waren und dass sie die Energiespartaste drücken soll. Dann ändert sie das Programm. Und ich krieg eine kleine Prämie."

Seitdem der Hightech-Energiemanager an der Küchenwand in Betrieb ist, ist der Energieverbrauch der Familie kontinuierlich gesunken, sagt Ralph Saßmannshausen: "Früher lag der Stand-by-Verbrauch des Hauses nie unter 200 Watt. Obwohl ein Aquarium dazugekommen ist, liegt er heute bei 108 Watt. Nun wollen wir die 100-Watt-Grenze knacken. Ich schätze, wir sparen im Jahr 300 bis 400 Euro. Damit fahren wir 20 bis 30 Prozent billiger als Leute, die nur den schwarzen Stromzähler im Keller haben."

Am liebsten sei ihr der "Alles aus"-Schalter auf dem Touchscreen, sagt Anne Saßmannshausen: "Ich gehe aus dem Haus und kann sicher sein, dass nichts anbrennt." Ihr Mann will auf ihrem Handy auch bald das Programm installieren, mit dem sie von außen Zugriff aufs Haus hat.

Inzwischen sieht Ralph Saßmannshausen die Möglichkeiten der besseren Energiekontrolle auch außerhalb der eigenen vier Wände. Er ist überzeugt, "dass unsere Generation Zeuge und Macher einer revolutionären Umgestaltung der Energieversorgung ist".

Wenn die Energieversorger an Plänen arbeiten, die Strompreise je nach Nachfrage innerhalb eines Tages oder sogar nach Stunden zu variieren, können Unternehmen und Privatleute das nutzen. Gerätehersteller wie Miele oder Elektrounternehmen wie Busch-Jäger arbeiten bereits mit Hochdruck an "intelligenter Technik": Der Kühlschrank zieht sich den Strom, wenn er günstig ist. Die Spülmaschine warnt vor dem Vollwaschgang, wenn die Strompreise gerade ganz oben sind. Solche Geräte wird es bald zu kaufen geben, meint Saßmannshausen.

In den USA testen New Yorker Verbraucher bereits für die Firma ConsumePowerline ein Minigerät, das immer dann rot glüht, wenn Strom besonders nachgefragt und deshalb besonders teuer ist, etwa abends nach sechs Uhr. Es warnt die Verbraucher "auf Zuruf", damit sie dann vermeidbare Stromfresser abschalten. Die Zukunft ist voller Strom-Versteher.