Die deutsche Wirtschaft will in Griechenland mehr investieren - etwa am Solarmarkt. Dabei sind Hamburger Firmen mit vorn dabei.

Hamburg. "Helios" heißt das Großprojekt, über das die Delegation der deutschen Wirtschaft unter Leitung von Bundesminister Philipp Rösler (FDP) heute in Griechenland viele Gespräche führen will. "Helios" ist das altgriechische Wort für Sonne, und so hieß in der Mythologie auch der griechische Sonnengott. In diesen Tagen allerdings steht das Wort im überschuldeten und wirtschaftlich schwer angeschlagenen Griechenland vor allem für Hoffnung.

Anfang September hatte der griechische Umwelt- und Energieminister Giorgos Papakonstantinou bei einer Solarkonferenz in Hamburg einen kühnen Plan präsentiert: Griechenland könnte, mit Hilfe aus Deutschland und Europa, zu einem großen Solarstromproduzenten aufsteigen und einen Teil der Energie nach Deutschland exportieren. Die Intensität der jährlichen Sonneneinstrahlung in Griechenland ist doppelt so hoch wie in Deutschland - ideal für die Umwandlung von Sonnenlicht in Strom mit Fotovoltaikanlagen.

Mit mehr als 100 Teilnehmern, darunter 70 Vertreter der deutschen Wirtschaft, reiste Wirtschaftsminister Rösler gestern nach Athen. In Gesprächen mit Ministerpräsident Giorgos Papandreou und anderen Spitzenvertretern der griechischen Politik und Wirtschaft will die Delegation ausloten, was Deutschland vor Ort tun kann: mit Investitionen in griechische Wirtschaftsprojekte, mit Rat und Tat bei der Modernisierung der griechischen Verwaltungen und der Behörden. Denn über die akuten internationalen Finanzhilfen hinaus, darüber herrscht Einigkeit bei Politik und Wirtschaft, braucht Griechenland ein Fundament für künftiges Wachstum und für leistungsfähige Unternehmen. "Man darf von Athen zwar keine Wunder erwarten. Griechenland braucht jedoch grundlegende Veränderungen, mit denen das Investitionsklima verbessert wird", sagte Rösler dem "Handelsblatt".

Eine Reihe von Branchen in Griechenland gilt als ausbaufähig: der Tourismus, die Landwirtschaft, der Bausektor oder die maritimen Dienstleistungen. Im Zentrum des Interesses aber steht die Energiewirtschaft und hier besonders die erneuerbaren Energien wie die Sonnen- und die Windkraft.

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"Helios", so hatte es der griechische Energieminister in Hamburg skizziert, könnte die nominelle Erzeugungskapazität der griechischen Solarwirtschaft von derzeit rund 200 Megawatt Spitzenleistung bis zum Jahr 2020 mehr als verzehnfachen und bis 2050 womöglich sogar um den Faktor 50 steigern. Alexander Gorski, Vorstandsmitglied des Hamburger Solarunternehmens Conergy, hält das für realistisch: "Mit der angedachten Größe ist ,Helios' ein ambitioniertes Projekt", sagte er dem Abendblatt. "Es wäre sicher nicht nur ein nachhaltiger, sondern auch ein wirtschaftlich sinnvoller Weg aus der derzeit schwierigen Lage im Land. Denn gleichzeitig werden so auch viele Arbeitsplätze geschaffen. Zu klären ist allerdings die Frage der Infrastruktur, hier müssen die Netze entsprechend modernisiert und ausgebaut werden."

Gorski, der in Röslers Griechenland-Delegation mitreist, kann die Lage der griechischen Solarwirtschaft beurteilen. Seit 2004 schon ist Conergy in Hellas aktiv. Bis zum Jahr 2010 sah sich das Hamburger Unternehmen dort als Marktführer, mit einem Jahresumsatz von bis zu 50 Millionen Euro. Bislang habe man vor Ort rund 60 Megawatt nominelle Erzeugungskapazität aufgebaut, unter anderem 2010 das mit fünf Megawatt bis dahin größte Fotovoltaik-Kraftwerk in Griechenland, sagte Gorski. Mittlerweile allerdings konkurriere man auch in Griechenland, wie andernorts, verschärft gegen die Niedrigpreise chinesischer Solarmodul-Hersteller.

Die Wucht der chinesischen Konkurrenz drückte die Geschäftszahlen und Aktienkurse (siehe Grafik) vieler deutscher Solarfirmen in den vergangenen Jahren nach unten. Auch deshalb findet der Hamburger Manager das Projekt "Helios" sinnstiftend: "Europa und insbesondere Deutschland spannt den Rettungsschirm über Griechenland und die griechische Wirtschaft. Beim Bau eines Großprojekts wie ,Helios' wäre es die logische Konsequenz, dass hier die europäische Solarwirtschaft gestärkt würde", sagte Gorski.

Von der Modernisierung Griechenlands könnten deutsche Unternehmen ebenso wie die griechischen Partner erheblich profitieren. "In den Struktur- und Regionalfonds der Europäischen Union liegen zweistellige Milliardensummen, die nach Griechenland fließen könnten, von dort aber bislang nicht abgerufen worden sind", sagte Stavros Konas vom Hamburger Unternehmen Global Oil dem Abendblatt. Das Unternehmen vermarktet ein Verfahren, mit dem Dieselmotoren auf Pflanzenöl umgerüstet werden können. Der gebürtige Grieche, der ebenfalls in Röslers Delegation dabei ist, lebt seit 45 Jahren in Hamburg. Doch die Befindlichkeit seiner Landsleute kennt er gut. Unter anderem arbeitet Konas als Generalsekretär der Deutsch-Griechischen Juristenvereinigung. "Viele Griechen fragen sich, warum kommt ihr erst jetzt, um mit uns über Investitionen zu diskutieren. Sie wissen aber auch, dass das Land modernisiert werden muss. Vierköpfige Familien leben in Griechenland mittlerweile, und das ist durchaus nicht unüblich, von 900 Euro im Monat, bei einem Preisniveau, das dem in vielen europäischen Ländern vergleichbar ist. Es muss dringend etwas passieren."

Die Verbindungen der Hamburger Wirtschaft nach Griechenland sind eng. Allein 524 Unternehmen, die in Griechenland tätig sind, hat die Handelskammer registriert. Darunter auch den Windturbinenhersteller Nordex. "Griechenland ist nicht der größte Windkraftmarkt in Europa, aber es ist sehr windreich und als EU-Land ein guter Standort", sagte Heinrich Lieser dem Abendblatt, bei Nordex zuständig für Regierungs- und Behördenkontakte. "Für unsere Branche jedenfalls sehen wir dort sehr gute Perspektiven."