Die IG Metall verlangt größere Mitsprache der Beschäftigten und bietet Einsparungen von einer Milliarde Euro bis zum Jahr 2020 an.

Hamburg. Im Frühjahr demonstrierten Tausende Airbus-Mitarbeiter für Beschäftigungsgarantien bis zum Jahr 2020 und für eine Begrenzung der Leiharbeit, jetzt geht das Ringen um einen "Zukunftstarifvertrag" für die deutschen Werke des Flugzeugbauers in eine neue Runde. Am kommenden Freitag wird wieder verhandelt.

Dabei liegen die Positionen der beiden Seiten zumindest in einzelnen Punkten noch weit auseinander. So fordert Airbus nach Angaben der IG Metall, die Produktivität jedes Jahr um fünf Prozent zu steigern, während auch das neue Angebot der Arbeitnehmerseite nach Informationen des Abendblatts deutlich niedrigere Fortschritte vorsieht. Das Abendblatt sprach mit dem Verhandlungsführer von der IG Metall Küste, Daniel Friedrich.

Hamburger Abendblatt : Am Freitag verhandeln die Arbeitnehmerseite und die Geschäftsführung von Airbus Deutschland erneut über den umstrittenen Zukunftstarifvertrag. Im Juni gab es ermutigende Signale, über den Sommer hat man in Arbeitsgruppen weiter über die Details beraten. Wie stehen die Chancen, jetzt - nach insgesamt eineinhalb Jahren - zu einem Abschluss zu kommen?

Daniel Friedrich: Die Arbeitsgruppen sind vorwärtsgekommen. Die Kundgebungen der Beschäftigten an unserem Aktionstag im Juni haben Wirkung gezeigt. Die Geschäftsführung hat danach begonnen, ihre Positionen zu überdenken. Aber es gibt nur vereinzelte Fortschritte. Wir sind der Auffassung, dass es eine schnelle Lösung geben muss, und haben uns daher entschlossen, ein neues Angebot auf den Tisch zu legen.

Was ist der Inhalt?

Friedrich: Im Gegenzug für eine Sicherung von Beschäftigung, Einkommen und Standorten bis zum Jahr 2020 haben wir für diesen Zeitraum Einsparungen von rund einer Milliarde Euro durch Produktivitätssteigerungen und eine optimierte Arbeitsorganisation in Aussicht gestellt.

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Auf welche Weise sollen diese Verbesserungen erreicht werden ?

Friedrich : Die Airbus-Geschäftsleitung muss sich entscheiden, ob sie weiterführen will, in dem sie Vorgaben zur Kostensenkung macht, oder ob sie einen Kulturwandel will, bei dem die Beschäftigten mitgenommen werden. Erfahrungen zeigen, dass dabei viel mehr herauskommt, als wenn von oben starr bestimmte Einsparsummen vorgegeben werden. Bei den Stahlwerken Bremen haben wir das gemeinsam geschafft. Das Werk, das in großen Schwierigkeiten war, wandelte sich innerhalb kürzester Zeit zu einem Vorzeigestandort des ArcelorMittal-Konzerns. Es geht darum, den Teams viel mehr Autonomie zu geben. Denn die Beschäftigten verfügen über sehr viel Know-how. Sie wissen am besten, was sich verbessern lässt. Das muss das Unternehmen nutzen.

Können Sie ein Beispiel nennen, wie sich dies konkret auswirkt?

Friedrich: Auf einer Werft haben wir erlebt, dass ein Meister routinemäßig jeden Sonnabend 20 Beschäftigte zur Mehrarbeit einbestellt hat, ganz gleich ob sie an dem Tag gebraucht wurden oder nicht. Das ist teuer, aber der Geschäftsführer wusste davon gar nichts. Die Beschäftigten haben diesen Automatismus abgeschafft. Mehrarbeit findet nur noch statt, wenn man sie braucht. Das spart Geld. Wir müssen die Mitarbeiter in die Lage versetzen, selber Potenziale zur Optimierung aufzuzeigen. Das wird bei Airbus bislang viel zu wenig genutzt. Dadurch könnte das Unternehmen viel Geld sparen.

Kann man solche Effekte nicht auch ohne einen Tarifvertrag erreichen?

Friedrich: Im Prinzip schon. Aber die Mitarbeiter brauchen die Sicherheit, dass sie nicht sich selbst oder Kollegen wegrationalisieren. Darum ist es wichtig, gleichzeitig die Beschäftigungs- und Entgeltsicherung zu vereinbaren.

Im Frühjahr war die Leiharbeiterquote einer der Hauptstreitpunkte. Während die Arbeitnehmerseite fordert, dass 85 Prozent der Tätigkeiten durch festangestellte Beschäftigte erledigt werden müssen, besteht die Geschäftsführung auf einer Quote für die Flexibilität von 20 Prozent. Gab es hier eine Annäherung ?

Friedrich : Niemand bestreitet, dass das Unternehmen Flexibilität braucht, um auf Marktschwankungen reagieren zu können. Es kann aber nicht sein, dass Menschen über viele Jahre als Leihkräfte für das Unternehmen tätig sind, ohne dass man ihnen einen festen Vertrag anbietet. Dennoch denke ich, dass wir hier eine gemeinsame Position finden können. Strittig ist aber auch die von uns geforderte Anhebung der Ausbildungsquote von fünf auf acht Prozent - und das verstehen wir angesichts des zunehmenden Bedarfs an qualifiziertem Nachwuchs nicht.

Zuletzt hatte Airbus die Bereitschaft signalisiert, eine Beschäftigungssicherung auch über das Jahr 2012 hinaus festzuschreiben. Warum bestehen Sie auf dem Jahr 2020, obwohl sich auf dem Luftfahrtmarkt so vieles innerhalb kurzer Zeit verändern kann?

Friedrich: Wir brauchen eine Sicherung der Beschäftigung bis dahin, weil sich auch der Airbus-Mutterkonzern EADS an der Strategieprogramm Vision 2020 ausrichtet und diesen Veränderungsprozess im Konzern wollen wir für die Beschäftigten absichern. Deswegen ist 2020 für uns so wichtig.

Sollten die Verhandlungen nicht dadurch erleichtert werden, dass Airbus in den vergangenen Monaten etliche Megaaufträge erhalten hat?

Friedrich: Ja, die Auftragssituation ist sehr gut, aber dieses Bestellungspolster muss auch abgearbeitet werden. Außerdem muss Airbus die neuen Projekte des Langstreckenjets A350 und des A320neo zur Marktreife führen. Dazu brauchen wir motivierte Beschäftigte, die bereit sind, alles zu geben. Leider ist die Stimmung im Unternehmen dafür nicht förderlich.

Nachdem eine Umfrage unter den EADS-Beschäftigten im Jahr 2009 erhebliche Unzufriedenheit offenlegte, hat doch die Airbus-Leitung schon reagiert und zum Beispiel den unteren Managementebenen mehr Kompetenzen verliehen.

Friedrich: Das streite ich nicht ab, aber da geht noch viel mehr. Immer noch beruht das Management auf genauen Vorgaben, wie Dinge zu tun sind, obwohl die Beschäftigten vor Ort wissen, wie es anders besser ginge. Die schlechte Stimmung hat aber noch eine andere Ursache: Menschen kommen als Entwicklungsingenieure zu Airbus, weil sie noch bessere Flugzeuge bauen wollen. Doch dann erleben viele von ihnen, dass sie nur Fremdaufträge verwalten dürfen und andere Firmen kontrollieren müssen. Das ist demotivierend. Ein Beispiel: Der Standort Buxtehude hat ungefähr 400 Arbeitsplätze, aber ein fast ebenso großes Arbeitsvolumen wird nach außen vergeben. Die Fremdvergabe sollte von den Airbus-Beschäftigten mitgestaltet werden, aber das ist heute nicht so. Es gibt nicht wenige Führungskräfte, die das auch einsehen.

Wie geht es weiter, wenn es am Freitag keine Einigung gibt?

Friedrich: Wir wollen, dass der Knoten endlich durchgeschlagen wird - und wir wollen, dass beide Seiten als Gewinner vom Platz gehen. Darum haben wir das Angebot vorgelegt und kommen den Forderungen der Geschäftsleitung schon weit entgegen. Wir haben aber keine Angst davor, wenn es vor einem endgültigen Durchbruch noch einmal rappeln muss.

Was meinen Sie damit?

Friedrich: Wenn am Freitag keine substanziellen Fortschritte erzielt werden sollten, müssen wir über Warnstreiks oder Ähnliches entscheiden.