Zehntausende protestieren gegen das Sparprogramm. Heute Parlamentsabstimmung in Athen. Findet sich keine Mehrheit, droht die Pleite.

Athen. Kurz vor der Abstimmung über ein milliardenschweres Sparpaket im Athener Parlament haben die griechischen Gewerkschaften das Land mit einem 48-stündigen Generalstreik lahmgelegt. In zwei separaten Demonstrationen marschierten etwa 20 000 Menschen in der Hauptstadt zum Parlamentsgebäude. Auf Spruchbändern machten sie gegen die Banken Front. "Europa sollte uns nicht wie Aussätzige behandeln", sagte ein 38 Jahre alter Verwaltungsangestellter. "Langsam fühlen wir uns nicht mehr als Teil Europas." Nach einem friedlichen Beginn der Kundgebung kam es abermals zu Straßenschlachten zwischen der Polizei und Hunderten vermummten Jugendlichen. Die Randalierer zündeten Mülleimer und Sonnenschirme von Cafés an. Meterhohe Flammen loderten.

Dutzende Autonome griffen am Rande einer friedlichen Demonstration die Polizei mit Flaschen und Steinen an, wie Augenzeugen berichteten. Die Polizei setzte Tränengas ein. Drei Polizisten wurden verletzt, mindestens drei Demonstranten hatten Atemprobleme. Bei Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen wurde eine Person durch einen Stich verletzt. Mehr als 5000 Bereitschaftspolizisten waren in der Athener Innenstadt im Einsatz.

Das Sparprogramm hat in der durch Korruption und Vetternwirtschaft ohnehin desillusionierten Bevölkerung tiefe Empörung ausgelöst. Viele Griechen sind besonders über die harten Bedingungen der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) verbittert. Dabei reicht der Zorn über das Sparprogramm über die Gewerkschaften und die radikale Linke hinaus. So äußerte auch der Einzelhandelsverband Ablehnung und rief seine Mitglieder auf, ihre Schaufenster aus Protest mit griechischen Flaggen zu drapieren. Über das Internet forderte der Verband Abgeordnete zur Ablehnung des Sparprogramms auf.

Bei der heutigen Abstimmung im Parlament geht es um weitere Leistungskürzungen, Steuererhöhungen und Privatisierungen. Finanzminister Evangelos Venizelos appellierte an die Volksvertreter, dem Programm zuzustimmen: "Es geht um das Schicksal unseres Landes, damit sollte niemand leichtfertig umgehen." Allgemein wird mit einer knappen Mehrheit gerechnet. Die regierenden Sozialisten verfügen über 155 der 300 Parlamentsmandate.

Die Zustimmung zum Sparprogramm von Ministerpräsident Giorgos Papandreou ist Voraussetzung für die Freigabe einer weiteren Kredittranche der EU und des IWF über zwölf Milliarden Euro. Ohne rasche Auszahlung des Geldes ist das Land pleite. Aktuell erlebt es die schwerste Rezession seit den 1970er-Jahren. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei mehr als 40 Prozent, die öffentliche Verschuldung bei 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Derweil steht eine Einigung zwischen deutschen Banken und Versicherern sowie der Bundesregierung über eine Beteiligung am nächsten Hilfspaket für Griechenland offensichtlich kurz bevor. Sie dürfte sich an einem Plan aus Frankreich anlehnen. Danach sollen Geldgeber bei auslaufenden Anleihen einen Teil des dann fälligen Geldes wieder in neue, 30 Jahre lang laufende Schuldtitel investieren. Ein weiterer Teil soll nach dem Pariser Modell in einen speziellen Fonds fließen, der über Wertpapiere mit höchster Kreditwürdigkeit abgesichert wird.