Hapag-Lloyd-Chef Michael Behrendt im Abendblatt-Interview über hohe Gewinne, neue Eigentümer und die Gefahren einer späteren Elbvertiefung.

Hamburg. Im März 2009 gab Michael Behrendt sein letztes großes Abendblatt-Interview. Damals kündigte ein sichtlich angespannter Hapag-Lloyd-Chef mit Blick auf die Wirtschaftskrise ein radikales Sparprogramm für die Reederei an. Nun empfängt er das Abendblatt in der Zentrale am Ballindamm gelassen, gut gelaunt - und verkündet das beste Ergebnis in der Geschichte von Hapag-Lloyd.

Hamburger Abendblatt: Herr Behrendt, für die ersten neun Monate hat Hapag-Lloyd einen operativen Gewinn von mehr als 500 Millionen Euro ausgewiesen. Wie ist es möglich, dass ein Unternehmen, das vor einem Jahr noch totgesagt wurde, so rasch wieder in Saft und Kraft steht?

Michael Behrendt: Die Transportmengen sind schneller als erwartet gestiegen, und die Frachtraten sind seit dem Frühjahr wieder gut auskömmlich. Aber wir haben auch aus eigener Kraft zu den Verbesserungen beigetragen. Für 2010 wurden Einsparungen von rund 800 Millionen Euro realisiert.

Wie genau haben Sie dieses Sparprogramm umsetzen können?

Behrendt: Für das laufende Jahr haben alle Mitarbeiter ganz ohne Murren auf fünf bis 20 Prozent ihres Gehalts verzichtet. Das zeigt die Solidarität zum Unternehmen. Allein dies hat die Kosten um 100 Millionen Euro verringert. Dazu kamen 6500 Einzelverhandlungen mit Lieferanten, Charterreedereien, Bahnen oder Lkw-Firmen. Entscheidend ist: Dies hat dem Geschäft nicht geschadet.

Werden für 2010 wieder Boni gezahlt?

Behrendt: Wir erfüllen unser Versprechen, 2010 auf Gehaltsanteile zu verzichten. Wenn es jetzt wieder besser läuft, werden das die Mitarbeiter im kommenden Jahr merken.

Wie fällt das Ergebnis für 2010 aus?

Behrendt: Wir werden das beste Ergebnis in der Geschichte der Reederei erzielen, auch wenn das vierte Quartal traditionell wieder schwächer ist. Diese Entwicklung ist sogar eine gute Nachricht. Wir kehren zu Normalität zurück.

Die Krise war also nicht normal?

Behrendt: Überhaupt nicht. Sie hatte nichts mit einer Schifffahrtskrise zu tun. Die Reedereien haben sie nicht verursacht. Die Industrie hat nichts mehr hergestellt, die weltweite Produktion lag brach und da sind wir die Ersten, die es kalt erwischt.

Bisher hat sich Hapag-Lloyd auf Schiffskapazitäten bis zu 9000 Standardcontainer (TEU) beschränkt. Jetzt kommen zehn Frachter der weltgrößten Klasse mit 13 200 TEU hinzu. Warum dieser Sinneswandel?

Behrendt: Die Containerriesen hatten bisher einige Kinderkrankheiten. Wir wollten technisch ausgereifte Frachter bestellen, ohne Lehrgeld zu bezahlen. Wenn wir jetzt mit dem Markt jährlich um sieben bis zehn Prozent beim Transportvolumen zulegen wollen, brauchen wir diese Schiffe. Sollte sich das Wachstum langsamer entwickeln, können wir immer noch gecharterte Tonnage zurückgeben.

Fahren alle Ihre Schiffe unter deutscher Flagge?

Behrendt: Der wesentliche Teil der eigenen Schiffe. Bei den rund 75 gecharterten bevorzugen wir das auch und versuchen, in diesem Sinne Einfluss auf die Vercharterer zu nehmen.

Warum haben Sie die Zentrale am Ballindamm von TUI zurückgekauft?

Behrendt: Wir waren immer zuversichtlich, im Haus bleiben zu können. Es fehlten aber die Mittel für einen Rückkauf. Jetzt können wir uns das leisten. Der Kauf hat vor allem Symbolkraft für die Mitarbeiter sowie in der Stadt. Das war Anfang der 1980er-Jahre so, als wir das Haus zurückgekauft haben, und das ist jetzt wieder so.

Die TUI als größter Anteilseigner will ihre Beteiligung nun so schnell wie möglich verkaufen. Steht Ihnen eine neue, quälende Eignerdebatte wie 2008 ins Haus?

Behrendt: Ich sehe bei diesen Diskussionen kein Problem. 2008 hatten wir eine ganz andere Situation. Da wollte unser damaliger Alleineigner 100 Prozent der Anteile verkaufen, als Interessent dafür trat auch ein Mitbewerber aus Asien auf. Letztlich übernahm das Hamburger Konsortium Albert Ballin die Mehrheit bei Hapag-Lloyd. Und dieses Konsortium ist für uns der Anker und der Garant dafür, dass wir eigenständig und in Hamburg bleiben werden. Ich mache mir keinerlei Sorgen darüber, dass Hapag-Lloyd aus Hamburg verschwinden könnte.

Welche Eignerstruktur wäre für Sie nach dem Ausstieg von TUI ideal?

Behrendt: Es ist das ureigene Recht der Gesellschafter, über den Kreis der Anteilseigner zu entscheiden. Miteigner können kommen und gehen. Mit dieser Bewegung muss man in einem Unternehmen wie Hapag-Lloyd leben. Entscheidend für uns ist, dass unser Unternehmen an diesem Standort gesichert ist. Für immer.

Unter anderem lassen die Eigner einen Teilbörsengang für Hapag-Lloyd prüfen. Ist das aus Ihrer Sicht sinnvoll?

Behrendt: Hapag-Lloyd ist fit für jeden Investor. Wir haben in diesem Jahr Schuldverschreibungen begeben. Sie waren bei der Ausgabe vielfach überzeichnet. Das zeigt, wie der Kapitalmarkt die Leistungsfähigkeit des Unternehmens einschätzt.

Es werden auch strategische Investoren gesucht. Arabische und chinesische Investoren gelten als Favoriten. Würden Sie eine solche Lösung begrüßen?

Behrendt: Wir leben in einer globalisierten Welt. Gerade wir als Reederei verdienen unser Geld damit, dass Kapital und Warenströme sich über Grenzen hinweg frei bewegen können. Uns ist jeder Investor willkommen, der Hapag-Lloyd und unsere Arbeit stärkt.

In Hamburg, derzeit der zweitgrößte Anteilseigner von Hapag-Lloyd, gibt es womöglich bald eine neue Regierung. Befürchten Sie, dass sich die Stadt aus dem Eignerkreis zurückzieht?

Behrendt: Keineswegs. Der Einstieg der Stadt Anfang 2009 wurde von allen Fraktionen in der Bürgerschaft einmütig unterstützt. Die Stadt Hamburg steht zu Hapag-Lloyd.

Hapag-Lloyd hat nach wie vor hohe Schulden. Kann das den Verkaufsprozess beeinträchtigen?

Behrendt: Nein. Am Ende dieses Jahres wird unsere Nettoverschuldung rund eine Milliarde Euro betragen. Das sind rund 200 Millionen Euro weniger als Ende 2009. Diese Reduzierung ist uns gelungen, obwohl wir in diesem Jahr sogar mehr als 350 Millionen Euro investiert haben. Unser Eigenkapital wiederum haben wir auf derzeit mehr als drei Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahreszeitraum 2009 verdoppelt. Ein Unternehmen braucht eine gesunde Verschuldung - ohne Verbindlichkeiten wird es von außen ebenso kritisch gesehen wie mit einem überbordenden Schuldenberg.

Die Elbvertiefung könnte sich deutlich verzögern. Beunruhigt Sie das?

Behrendt: Die Elbvertiefung droht zu einer unendlichen Geschichte zu werden. Die Reedereien, die Hamburg mit Großschiffen anlaufen, fühlen sich da mittlerweile schon ein bisschen verschaukelt. Der Hafen ist das wirtschaftliche Herz der Hansestadt Hamburg. Er muss für große Schiffe erreichbar sein. Das muss jeder wissen, der mit der Elbvertiefung zu tun hat. Meine Sorge ist, dass unsere internationalen Partner in der Schifffahrt irgendwann die Geduld verlieren und für ihre Ladungsströme Alternativen suchen könnten.

Ihr Vertrag läuft bis 2013. Wollen Sie darüber hinaus bei Hapag-Lloyd bleiben?

Behrendt: Ich halte zwei weitere Jahre für einen guten Zeitraum. Wenn das Haus Hapag-Lloyd 2013 noch bestens bestellt ist, kann ich mir eine privatere Phase im Leben sehr gut vorstellen.