Ein zehn mal 15 Meter großer Panikraum bietet der Besatzung des frisch getauften Schwergutfrachters “Svenja“ Schutz bei einem Überfall.

Hamburg. Hinter drei festen Stahltüren mit Riegeln liegt gut geschützt die Zitadelle: Der sogenannte Panikraum, in dem sich die Besatzung vor Piraten verschanzen kann. Extra versteckt hat ihn die Bauwerft Sietas unter Deck der "Svenja", ihres neuen weltweit größten Schwergutfrachters, der gestern an der Überseebrücke getauft wurde. An der Wand hängt ein Satellitentelefon, mit dem die Seeleute weltweit Kontakt zu Helfern aufnehmen können. Das einzige Fenster lässt sich mit einer Stahlplatte sichern, und in den Nebenräumen lagern Luftmatratzen, Schlafsäcke und Proviant.

"Mehr als drei Tage lang können wir mit 20 Mann hier aushalten", ist der Kapitän der "Svenja", Rüdiger Bauer, sicher. Vor allem aber kann von dem zum Panikraum ausgebauten Maschinenkontrollraum sowohl das Schiff weitergefahren als auch alle Systeme an Bord "totgeschaltet" werden. So können Piraten bei einem Überfall nicht das Kommando übernehmen, zumal sie - wenn die Besatzung sich rechtzeitig zurückzieht - niemanden mehr finden. Oftmals haben Seeräuber in solchen Situationen schon aufgegeben.

Besonders bequem ist es für die 20 Mann an Bord in dem zehn mal 15 Meter großen Raum jedoch nicht. Das Wasser reicht nur für eine "Katzenwäsche", wie Bauer sagt, als Toilette dient ein Chemieklo. "Alle an Bord fühlen sich aber sicherer", meint auch der leitende Ingenieur Siegfried Lauer. Lauer und Kapitän Bauer wissen, wovon sie reden. Denn Ende 2007 wurden beide schon einmal von Piraten verfolgt. "Eines der vielen im Roten Meer liegenden Fischerboote beschleunigt plötzlich auf 20 Knoten. Wir haben dann durch starke Bewegungen des Ruders Wellen aufgeworfen, sodass unsere Verfolger Probleme bekamen und aufgeben mussten", erinnert sich Bauer.

Schifffahrtskontor stattet die gesamte Flotte mit Schutzräumen aus

Nicht nur die "Svenja", sondern auch die anderen 14 Schiffe der Flotte hat das Schiffahrtskontor Altes Land (SAL) aus Steinkirchen bei Stade in den vergangenen zwei Jahren mit Panikräumen ausgestattet. Hintergrund: Die Hauptroute der Schifffahrtsfirma verläuft von Europa über das Mittelmeer nach Asien - vorbei am Horn von Afrika, wo in den ersten neun Monaten des Jahres 28 der weltweit 46 Attacken von Seeräubern gezählt wurden. "Allein unsere Schiffe passieren diese Region 80-mal pro Jahr", sagt Lars Rolner, einer der drei deutschen Teilhaber der SAL. 50 000 Euro lässt sich die Reederei den Umbau pro Frachter kosten. "Das ist wenig im Vergleich zu den Zahlungen bei Geiselnahmen", so Rolner.

Der Verband Deutscher Reeder (VDR) sieht in Schutzräumen jedoch nur eine "Zwischenlösung". "Das Piratenproblem lässt sich so nicht aus der Welt schaffen", sagt VDR-Sprecher Max Johns. Der Verband will vielmehr Polizisten oder Marineangehörige an Bord bringen. Dies ist juristisch umstritten. "Wir würden für die Soldaten bezahlen", so Reeder Rolner.

Stattdessen muss die SAL höhere Kosten für Versicherungen bezahlen und Umwege fahren, um den Piraten zu entgehen. Die SAL-Frachter transportieren Generatoren, Fundamente für Windenergieanlagen oder auch kleinere Schiffe. Nicht nur die Piraten, sondern auch die schwache Nachfrage bereiten der Reederei Sorgen. "Wir rechnen erst Ende 2011 mit einer Erholung", sagt Rolner bei der Taufe der "Svenja" durch Svenja Heinrich, der Tochter des Firmengründers Hans Heinrich. Die seit 1980 erstmals eingefahrenen Verluste sollen eine Ausnahme bleiben. Schon im März folgt auf die "Svenja", dem größten und mit 20 Knoten auch schnellsten Schwergutfrachter der Welt, ein Schwesterschiff. "Wir haben zudem mit Sietas bereits die nächste Schiffsgeneration entwickelt", sagt Rolner. "Nicht ausgeschlossen, dass wir wieder bestellen." Immerhin hat die Reederei von den Hamburgern schon mehr als 50 Frachter übernommen.

Und das Problem mit den Piraten? Kapitän Bauer bleibt nur die Hoffnung, dass er so schnell keinem mehr begegnet. Denn schon bald wird die "Svenja" das Horn von Afrika passieren.