Die Gewerkschaften wollen fünf bis sechs Prozent höheres Entgelt. Die neue Tarifrunde beginnt, Zündstoff gibt es reichlich.

Frankfurt/Berlin. Heute beginnt die neue Tarifrunde bei der Deutschen Bahn - und sie birgt Zündstoff: Denn die Gewerkschaften wollen jetzt einheitliche Standards für die Branche durchsetzen. Doch dafür müsste eine Einigung zwischen dem bundeseigenen Konzern und seinen privaten Konkurrenten her. Sollte eine Einigung nicht gelingen, drohen die Gewerkschaften mit Arbeitsniederlegungen. Sie wären im großen Umfang vom 1. August an möglich. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Mit welchen Gewerkschaften verhandeln die Bahnen?

Nach dem erfolgreichen Tarifkampf der Lokführer 2008 haben die Unterhändler der Bahn parallele Gesprächstermine im Kalender. Am Montag ist der Auftakt mit den großen Gewerkschaften Transnet und GDBA in Frankfurt, die eine Tarifgemeinschaft für 165 000 Beschäftigte des Konzerns bilden. Am Freitag folgt die erste Runde mit der kleineren Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Sie verhandelt über einen separaten Vertrag für alle 20 000 Lokführer, der aber in einen Grundlagenvertrag eingebettet ist.

Was sind die Forderungen bei den heute startenden Verhandlungen?

In ihrem Forderungspaket verlangen Transnet und GDBA sechs Prozent mehr Geld - und verweisen auf den "satten Gewinn" in der Bahnbilanz. Neben einer realen Einkommenserhöhung soll es auch um Verbesserungen bei Arbeitszeit und Zulagen gehen. Die GDL fordert fünf Prozent mehr Geld. Sie will zudem, dass Lokführer ihren Job nicht verlieren, wenn ein Streckennetz bei Ausschreibungen an einen anderen Betreiber geht. Das gemeinsame große Vorhaben des Gewerkschaftstrios sind aber einheitliche Tarifstandards für die Branche. "Es kann keinen Einkommensabschluss mit einem Eisenbahnverkehrsunternehmen geben in diesem Jahr, wenn nicht gleichzeitig ein Durchbruch für einen Branchentarifvertrag erfolgt", formulierte Transnet-Chef Alexander Kirchner als Maxime.

Warum sehen die Arbeitnehmervertreter den Branchentarifvertrag als wichtig an?

Seit Langem geißeln die Arbeitnehmervertreter einen Wettbewerb auf Kosten der Beschäftigten. Im Schienennahverkehr, wo bei der Bahn und Konkurrenten wie Veolia oder Arriva insgesamt etwa 40 000 Menschen arbeiten, ist der Druck bei Ausschreibungen hoch. Die Einkommen bei privaten Anbietern liegen teils 20 bis 30 Prozent unter dem Niveau der Deutschen Bahn. Aber auch der Marktführer gliedert zum Ärger der Gewerkschaften außertarifliche Tochtergesellschaften aus - "als Notlösung", wie sich Vorstandschef Rüdiger Grube rechtfertigt. Einem Branchentarifvertrag stehe der bundeseigene Konzern "nicht im Wege". Aus dem konkurrierenden Arbeitgeberlager, dessen Firmen niedrigere Kosten haben, war dies bisher nicht zu hören.

Auf was müssen sich Bahnkunden gefasst machen?

Das Säbelrasseln hat schon begonnen. Sollte ein Branchentarif nicht bis Ende Juli stehen, haben die Gewerkschaften mit "Arbeitskampfmaßnahmen im gesamten Schienenverkehr" gedroht. Die Friedenspflicht bei der Deutschen Bahn endet am 31. Juli, erst dann sind Warnstreiks erlaubt. Nadelstiche wären aber auch früher denkbar, wenn in der Arbeitszeit Betriebsversammlungen einberufen werden. Grube warnt bereits vor Arbeitsniederlegungen: "Wenn gestreikt wird, fährt die Bahn nicht, das bremst die Konjunktur und trifft den Standort Deutschland und damit die Erwerbstätigen selbst."