Chefs von Daimler und Deutscher Bahn wagen in Hamburg einen Blick in die Zukunft der Mobilität. Neuer E-Roller und 3-Liter-Auto von Daimler.

Hamburg. Daimler-Vorstand Dieter Zetsche und Bahnchef Rüdiger Grube haben viele Gemeinsamkeiten. Beide leiten eines der größten Unternehmen Deutschlands, beide sind promovierte Ingenieure und der Mobilitätsbranche lebenslang treu geblieben. Gemeinsame Berufsjahre erst bei Daimler-Benz, dann im Vorstand von DaimlerChrysler und schließlich bei der Daimler AG haben aus Geschäftspartnern Duzfreunde gemacht.

Einig waren sich die beiden Topmanager auch im Gespräch mit "Zeit"- Herausgeber Josef Joffe bei der gestrigen Matinee in den Hamburger Kammerspielen: Sowohl die Bahn als auch die Automobilindustrie müssen in den kommenden Jahren enorme Herausforderungen bewältigen. "Logistik kann in Deutschland nur bei bestmöglicher Integration der Transportwege funktionieren", sagte Zetsche. Als Konkurrenten betrachtet er die Bahn demnach nicht: "Wir buhlen nur sehr begrenzt um dieselben Kunden."

Grube betonte, die Eisenbahn allein sei nicht die Zukunft, sondern die intelligente Vernetzung und bedarfsgerechte Nutzung von verschiedenen Transportwegen wie Bahn und Auto, Schiff und Flugzeug. Auch beim Massentransport in Großstädten seien neue Konzepte nötig. Beide Unternehmen sind hier aktiv: Während sich Carsharing und Leihfahrräder der Bahn etabliert haben, testet Daimler ein neues Geschäftsmodell namens "Car to go". Beim Pilotprojekt in Ulm seien bereits 30 Prozent der Führerscheininhaber registriert, um sich an Leihstationen für 19 Cent pro Kilometer einen Smart zu leihen. "Das könnte ein wichtiger Baustein für die Mobilität der Zukunft werden", sagte Zetsche.

Ähnlich flexibel will auch Rüdiger Grube das Bahnfahren gestalten. Er ahnt, was seine Kunden stört: Nach eigenem Bekunden ist er selbst schon an Ticketschaltern und Reisezentrum gescheitert. Zuweilen greift er sogar selbst zum Telefon, um sich die Kritik seiner Fahrgäste anzuhören. "Ich stelle mir eine Zukunft ohne Fahrkartenautomaten vor", sagte Grube. Die Stationen einer Reise könnten stattdessen über ein internetfähiges Handy gebucht werden. In Brandenburg und Hessen wird das System "Touch and travel", bei dem die Bahn über das Smartphone des Kunden automatisch das Ticket berechnet, gerade getestet.

"Wir stehen erst am Anfang des individuellen Automobilverkehrs", stellte Zetsche mit Blick auf die Motorisierung von Ländern wie China und Indien klar. Es sei offensichtlich, dass die nächsten 800 Millionen Autos nicht ebenso betrieben werden könnten wie die heutige Flotte. Daimler sei deshalb Kooperationen mit Partnern eingegangen, um die Milliardeninvestitionen der nächsten Jahre in neue Antriebskonzepte effektiv zu gestalten. „Wir werden bald einen E-Roller präsentieren“, ergänzte Zetsche. Außerdem werde Daimler bald eine S-Klasse vorstellen, die zu 50 Prozent elektrobetrieben sein werde und nur 3 Liter Kraftstoff verbrauche. Auch Grube will den Anteil regenerativer Energie bei der Bahn auf 30 Prozent steigern und mehr Elektrozüge einsetzen.

Was beiden Vorstandschefs Sorgen bereitet, ist die Energieversorgung der Zukunft angesichts des geplanten Atomausstiegs. "Man darf nicht vergessen, woher die Energie bei emissionsfreien Fahrzeugen kommt", sagte Zetsche. Und war sich mit Grube einmal mehr einig, der betonte: "Nur mit Windenergie können wir unser Schienennetz nicht betreiben."