Deutscher Markt wächst auf 1,8 Millionen Passagiere. Bundesbürger buchen weltweit die meisten Flusskreuzfahrten. Weiteres Wachstum erwartet.

Hamburg/Berlin. Deutsche Urlauber werden auch in den kommenden Jahren immer mehr Reisen auf See und auf den Flüssen buchen. Davon sind vom Abendblatt befragte Reisebüros, Veranstalter sowie Kreuzfahrtexperten überzeugt. "Die Reisen sind ein entscheidender Wachstumsmotor des deutschen Touristikmarktes", sagte Sebastian Ahrens, der Vorsitzende des Schifffahrtsausschusses des Deutschen Reiseverbandes (DRV) gestern in Berlin, als er die Zahlen der Branche für 2011 vorlegte. Allein in den vergangenen zehn Jahren stieg der Kreuzfahrt-Anteil an den von Veranstaltern organisierten Reisen von fünf auf 12,4 Prozent. Zusammen kommen die Hochsee- und Flussreedereien für 2011 auf einen Umsatz von fast drei Milliarden Euro und mehr als 1,8 Millionen Passagiere. Davon entfallen knapp eine halbe Million Gäste und 496 Millionen Euro Umsatz auf Flussreisen, die die Deutschen weltweit am meisten buchen.

Auch die beiden Unglücke der Costa-Kreuzfahrer zum Jahresbeginn "werden den Boom nicht beenden", sagte Ahrens im Abendblatt-Interview . "Wir haben zwar eine Zurückhaltung bei Menschen gespürt, die zum ersten Mal an Bord gehen wollten. Die Buchungen ziehen aber wieder an", so DRV-Sprecherin Sibylle Zeuch. "Die meiste Verunsicherung gab es bei Passagieren, die ihre Reisen mit Schiffen für mehr als 2500 Gäste antreten wollten", sagte Christian von Schröder, Geschäftsführer der Reisebüro-Kette Globetrotter, zu der zwölf Büros in Hamburg und der Metropolregion gehören. Die Globetrotter-Kunden suchten verstärkt kleinere Schiffen von deutschen Reedereien. Inzwischen liegt die Kette beim Kreuzfahrtumsatz aber bereits um 23 Prozent höher als 2011. "Schon weil immer mehr Kreuzfahrten von Hamburg, Kiel oder Warnemünde starten, bei denen keine lange Anreise mehr nötig ist, wird es auch 2012 einen Zuwachs geben", sagt von Schröder.

+++ Kreuzfahrten sind so beliebt wie nie zuvor +++

Tourismusforscher Martin Lohmann meldet leise Zweifel an. Vor dem Costa-Unglück habe das Interesse der Bundesbürger an einer Kreuzfahrt bei 17 Prozent gelegen, nach dem Unglück nur noch bei elf Prozent, so Lohmann. Auch die Gesellschaft für Konsumforschung stellte bei einer Umfrage unter 1200 Reisebüros im Januar einen Umsatzeinbruch fest. Doch durch die vielen Frühbuchungen lagen die Einnahmen Ende Februar noch um 33 Prozent über dem Vorjahr. Bei der TUI seien die Kapazitäten für 2012 zu mehr als 82 Prozent ausgelastet, sagte TUI-Chef Michael Frenzel dem "Zeit"-Magazin. Einen Preisrutsch werde es nicht geben, sagte Ahrens. 2011 kostete eine Nacht auf einem Hochseeschiff im Schnitt 185 Euro nach 183 Euro im Vorjahr.

+++ Sicher und sauber auf hoher See +++

Dass mit Costa bei beiden Schiffsunglücken im Januar und Februar dieselbe Reederei betroffen war, hält der Hamburger Kreuzfahrtexperte Helge Grammerstorf ohnehin für "reinen Zufall. Costa Crociere ist die größte Kreuzfahrtreederei in Europa mit den meisten Schiffen im Einsatz", sagte er dem Abendblatt. Daher sei sie schon statistisch gesehen eher betroffen als andere Unternehmen. Ausdrücklich lobte der Experte die Reederei und die Besatzung der "Costa Allegra": Sie hätten "nach allem, was bisher bekannt ist, professionell und umsichtig" gehandelt.

Der Kritik von Umweltverbänden, die den Ausstoß von Schwefel, Ruß und CO2 aus den Schornsteinen bemängeln, will die TUI jetzt mit einem neuen Konzept für die "Europa2" begegnen. So ist für den Neubau ein Katalysator vorgesehen, der nicht nur Stickoxide, sondern auch einen Teil des Rußes herausfiltern soll, wie Hapag-Lloyd-Kreuzfahrten-Chef Ahrens sagte. Das Schiff, das im Frühjahr 2013 fertig sein soll, wird am Montag in Hamburg vorgestellt. Buchungsstart ist am 20. März.