Themenreisen, Angebote für Singles und sinkende Preise bestimmen das kommende Kreuzfahrtjahr. Schiffreisen boomen trotz des Concordia-Unglücks.

Als der 340 Meter lange, 56 Meter hohe und 37 Meter breite Gigant die Papenburger Meyer Werft verlässt und langsam seinen Weg durch die Ems Richtung Nordsee sucht, verfolgen Tausende von Neugierigen das Spektakel. Für die Crew der "Disney Fantasy" bedeutet die erste Fahrt des neuen Luxusliners schweißtreibende Präzisionsarbeit. In der schmalen Emspassage bleibt an einigen Stellen nur eine Handbreit Platz zwischen dem Ozeanriesen und Brückenpfeilern oder Schleusentoren. Doch das etwa 600 Millionen Euro teure Schiff meistert die Überführung mit Bravour. Die Schaulustigen applaudieren mit leuchtenden Augen. Diese erste Reise der 4000 Passagieren Platz bietenden "Disney Fantasy" hat auch Symbolcharakter: Der Kreuzfahrt-Traum geht weiter. Eine Woche zuvor hatte die "Costa Concordia" einen Felsen vor der italienischen Insel Giglio gerammt und war leckgeschlagen. Mehr als 4200 Menschen waren an Bord, es gab Tote zu beklagen.

Die Havarie der "Costa Concordia" wird den Trend wohl nicht stoppen; Schiffsreisen boomen. Laut Guido Laukamp, stellvertretender Vorsitzender des Schifffahrtsausschusses im Deutschen Reiseverband, gebe es keinerlei Anzeichen, dass das Unglück einen Einfluss auf Buchungszahlen und die generelle Entwicklung von Kreuzfahrten habe. Die Sicherheitsstatistik belege zudem, dass Schiffe eine der sichersten Reisemittel überhaupt wären.

Die Zahl der Deutschen, die eine Hochseekreuzfahrt buchen, hat längst die Millionengrenze pro Jahr überschritten. Und das Interesse wächst weiter, sagt Martin Lohmann, Leiter der jährlichen "Reiseanalyse" der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen. Was auch daran liegt, dass die Preise in den vergangenen zehn Jahren ständig gesunken sind. Eine Woche Mittelmeer-Kreuzfahrt ist bereits für 700 Euro zu haben, Vollpension inklusive. Vergleicht man dies etwa mit den Kosten für einen Skiurlaub, sind Ferien auf See sogar richtig günstig.

+++Kurzzeitparker am Kreuzfahrt-Terminal+++

+++Disney Fantasy läuft vermutlich früher als geplant aus+++

Und die Preise purzeln noch weiter, prognostiziert Lohmann: "Wenn die Reedereien die Zahl der Passagiere noch weiter steigern wollen, bleibt ihnen wenig anderes übrig, als Angebote für neue Zielgruppen zu machen und die Preise weiter zu senken."

Denn "die Kreuzfahrt" gibt es längst nicht mehr. Auf den Weltmeeren tummelt sich eine Vielzahl von Schiffen mit unterschiedlichsten Angeboten. Von Clubschiffen wie der Aida-Flotte mit reichlich Action und Unterhaltung bis zum Explorer wie der "Bremen" von Hapag Lloyd, die vom Amazonas bis zur Antarktis die exotischsten Ziele ansteuert. Erklärte Wohlfühl-Kreuzer wie "Mein Schiff 1 & 2" von TUI-Cruises setzen konsequent auf Relaxen und Genuss, Mega-Liner mit 4000 Passagieren und mehr wie die Spaßschiffe von Royal Caribbean sind schwimmende Ferienresorts. Die Gäste flanieren durch Shopping Malls oder planschen an Deck in Erlebnispools und Jacuzzis. Sie spielen Basketball, begeben sich für eine Runde Golf in den Simulator, fahren Inlineskater oder kraxeln Kletterwände hoch. Coole Nobelyachten wie die "Seadream 1 und 2" wiederum beherbergen nur eine geringe Zahl von Passagieren, die dann nach allen Regeln der Servicekunst verwöhnt werden.

Auch Gourmets werden vermehrt angesprochen. Etwa von der MS "Europa", auf der Drei-Sterne-Koch Dieter Müller Feinschmeckern auftischt. Doch nicht nur hier, sondern auf allen 15 Kreuzfahrtschiffen der Holland America Line dürfen kulinarisch Interessierte selbst Hand anlegen. In der professionellen Show-Küche, dem Culinary Arts Center, gibt es Kochvorführungen und praxisorientierte Kochkurse mit versierten Chefköchen. Und wie können Golfer in wenigen Tagen bequem sechs Spiele in fünf Ländern absolvieren - mit Abschlägen auf den beliebtesten Plätzen in Cádiz, Lissabon, La Coruña, Southampton, Le Havre und Zeebrügge? Mit TUI Cruises. Das Unternehmen bittet vom 22. April bis zum 3. Mai zur exklusiven Golf-Sonderreise. Themenkreuzfahrten bleiben auch für Alleinreisende spannend - denn hier ist die Chance am größten, an Bord Leute mit gleichen Interessen zu treffen und gemeinsam an Workshops und Veranstaltungen teilzunehmen. Singles werden für Reedereien ohnehin ein zunehmend wichtiger Faktor. Noch müssen sie fast überall einen Aufschlag zahlen, wenn sie eine Kabine allein nutzen möchten. Doch auch da setzt langsam ein Umdenken ein. Als besonders Alleinreisenden-freundlich erweist sich die US-Reederei NCL, die ihr Flaggschiff "Norwegian Epic" mit 128 Einzelkabinen ausgestattet hat. Die Studios mit Doppelbett und separaten Bereichen für Bad, Dusche und Waschtisch sind mit neun Quadratmetern zwar klein und ausschließlich Innenkabinen, bieten aber alle Annehmlichkeiten.

Damit die stets günstiger angebotenen Innenkabinen nicht länger als Unterkunft zweiter Klasse gelten müssen, versucht man auf der neuen "Aidamar", die am 12. Mai in Hamburg getauft wird, über technische Neuerungen Abhilfe zu schaffen: Die Innenräume werden kurzerhand in virtuelle Außenkabinen umgestaltet. Dafür sorgen 42-Zoll-LED-Flatscreens, die einen Blick auf das Meer oder auch die nächsten Reiseziele ermöglichen.

Gespannt sein darf man auch auf die Rückkehr der MS "Berlin". Das ehemalige ZDF-Traumschiff, das zuletzt unter dem Namen "Spirit of Adventure" für Saga Cruises fuhr, ist ab 21. Mai als "FTI Berlin" unterwegs. Unter dem Motto "Freestyle elegant" bietet FTI Touristik mit legerer Atmosphäre eine attraktive Alternative zu Riesenschiffen und hochpreisigen Luxuslinern an.