Während der deutsche Versandhandel um zwölf Prozent zulegt, stagniert das Kerngeschäft der Hamburger. Offensive mit 500 neuen Mitarbeitern.

Hamburg. Es lief schon mal besser für den Hamburger Versandhandelskonzern Otto. Noch vor einem Jahr verkündete Vizekonzernchef Rainer Hillebrand, dass die Gruppe in ihrem deutschen Kerngeschäft erstmals die Zwei-Milliarden-Euro-Marke geknackt habe. Von einer "irren Leistung" sprach Hillebrand angesichts eines Umsatzplus von fast 13 Prozent, das unter anderem durch die Pleite des Konkurrenten Quelle zu erklären war.

In diesem Jahr gab es hingegen niemanden aus der Vorstandsriege, der persönlich zu der Entwicklung der Otto-Kerngesellschaft Stellung nehmen wollte. Die Herren ließen sich aufgrund "unüberwindlicher Terminkollisionen" entschuldigen. Schriftlich informierte der Konzern darüber, dass die Umsätze für das gerade abgelaufene Geschäftsjahr 2011/2012 bei 2,1 Milliarden Euro stagnieren werden. Und das, obwohl der Bundesverband des Deutschen Versandhandels gerade über ein Wachstum in der gesamten Branche von rund zwölf Prozent berichtet hatte.

+++ 50 000 Mitarbeiter in drei Sparten +++

+++ Im Internet zählt der Preis +++

Es sind vor allem kleine und flinke Internethändler, die dem Tanker Otto zunehmend das Leben schwer machen. Hinter vorgehaltener Hand fällt in der Zentrale immer wieder der Name des Schuhanbieters Zalando, der sich längst nicht mehr auf den Verkauf von Pumps und Wanderstiefeln beschränkt und mit Blusen, Taschen oder Röcken kräftig im Moderevier der Hamburger wildert. Auch der späte, aber mächtige Online-Einstieg der Ketten Media Markt und Saturn setzt Otto unter Druck, erhöht sich damit doch der ohnehin schon heftige Wettbewerb in der Unterhaltungselektronik.

+++ Otto baut auf das Internet und sucht 500 Fachkräfte +++

Vor diesem Hintergrund rechnen die Hamburger damit, dass sich der zum Teil ruinöse Preiskampf insbesondere im Textil- und Technikbereich noch weiter verschärfen wird. Eine Entwicklung, von der sich Otto mehr denn je abkoppeln möchte. "Unser Ziel ist es, unsere Renditen deutlich zu steigern", ließ Otto-Vorstandsmitglied Alexander Birken mitteilen. "Wenn dies zu Lasten unrentabler Sortimente oder eines sinkenden Umsatzes geht, dann würden wir dies in Kauf nehmen wollen." Im Augenblick ist ein Team von Mitarbeitern dabei, solche Verlustbringer ausfindig zu machen und gegebenenfalls aus dem Katalog und von der Internetseite zu kicken. Um welche Bereiche es sich handelt, wollte eine Unternehmenssprecherin aber nicht sagen.

Im abgelaufenen Geschäftsjahr gelang es der Otto-Einzelgesellschaft zumindest, das Renditeniveau des Vorjahres zu halten, während in der gesamten Gruppe, zu der auch das Auslandsgeschäft sowie Tochtergesellschaften wie zum Beispiel Bonprix, der Logistiker Hermes oder das US-Einrichtungshaus Crate & Barrel gehören, der Gewinn rückläufig war.

Die aktuelle Wachstumsschwäche des deutschen Versandgeschäfts kommt ein Stück weit überraschend, da sich der Konzern eigentlich schon lange auf die wachsende Internetkonkurrenz eingestellt hat. So gelang es Otto auch im vergangenen Jahr, den reinen Online-Umsatz nochmals um zehn Prozent zu steigern. Drei von vier Euro Umsatz erwirtschaftet die Gesellschaft mittlerweile im Netz. Doch die Zuwächse reichen offenbar nur, um die Rückgänge im klassischen Kataloggeschäft zu kompensieren. Die dicken Wälzer, mit denen Versandhandelspionier Werner Otto einst den Erfolg des Unternehmens begründete, dienen heute lediglich dazu, den Kauf eines Produkts im Internet anzustoßen. Direkt über den Katalog bestellt wird kaum noch.

"Alle großen Versender, die aus dem Kataloggeschäft kommen, tun sich derzeit gegenüber den reinen Internetunternehmen schwer", sagt der Geschäftsführer des Bundesverbands des Deutschen Versandhandels, Christoph Wenk-Fischer. "Sie stecken mitten in einem teuren Umstellungsprozess, während sich jüngere Firmen ganz auf das Online-Geschäft konzentrieren können." Zudem sei es angesichts der enormen Preistransparenz im Netz für die etablierten Konzerne enorm schwer, ihre Stammkunden zu halten. "Die Bindung an ein Unternehmen wird im Internet immer geringer."

Als Antwort auf diese Entwicklung will Otto das eigene Online-Angebot nun noch weiter ausbauen und setzt dabei unter anderem auf mobile Endgeräte wie Smartphones oder Tablet-PCs. 500 neue Mitarbeiter will das Unternehmen dafür einstellen.