Niedrige Frachtraten und steigende Kosten drücken den Gewinn von Hamburg Süd. Reederei nimmt Sicherheitskräfte gegen Piraten an Bord.

Hamburg. Die internationale Containerschifffahrt erlebt derzeit bereits ihre zweite Krise seit 2008. Erneut fahren führende Reedereien Milliardenverluste ein. Frachter werden mangels Ladung stillgelegt. Wie kommt die Schifffahrt aus der Krise heraus? Das Abendblatt sprach mit Ottmar Gast, 59, Chef der Hamburger Traditionsreederei Hamburg Süd über die Reedereistrategie, die Fehler der Branche und die Bedrohung durch Piraten am Horn von Afrika. Hamburg Süd feierte 2011 ihr 140-jähriges Bestehen.

Hamburger Abendblatt: Herr Gast, im Jahr 2010 hat sich die Containerschifffahrt erstaunlich schnell von der Weltwirtschaftskrise erholt - um 2011 wieder tief in die roten Zahlen zu fahren. Was macht die Branche falsch?

Ottmar Gast: Die Reedereien haben sich 2010 etwas vorgemacht. Die Containerlinien dachten, es könne 2011 so weitergehen. Von Herbst 2008, als die Finanzmarktkrise ihren Höhepunkt erreichte, bis heute ist der Containerumschlag um rund neun Prozent gewachsen. Zugleich haben die Reedereien 22 Prozent mehr Transportkapazität auf den Schiffen an den Markt gebracht. Das belastet das Geschäft.

Warum sahen die Ergebnisse - auch Umsatz und Gewinn von Hamburg Süd - dann 2010 noch so gut aus?

Gast: Im Jahr 2010 gab es eine künstliche Erholung. Sie war vor allem dadurch getrieben, dass in der zurückliegenden Krise sehr schnell viel Schiffstonnage aus dem Markt genommen worden war, zeitweise bis zu rund zwölf Prozent der Containertransportkapazität. Die aktuelle Krise verläuft schleichend und damit ganz anders. Derzeit haben wir ein Problem mit Überkapazitäten und zu hohen Kosten. Die Ladungsmengen wachsen zwar weiter, aber die Transportkapazität nimmt deutlich stärker zu. Zugleich heizen manche Reedereien den Preiskampf weiter an. Die Branche hat damit ein selbst verursachtes Problem.

+++ Der Preiskampf setzt den Reedereien zu +++

+++ Hapag-Lloyd: Hamburg muss sich entscheiden +++

Die größten Linienreedereien Maersk und MSC liefern sich einen harten Preiskampf. Zugleich gibt es neue Kooperationen, etwa zwischen MSC aus der Schweiz und der französischen CMA/CGM oder in der neuen Allianz G6, der auch Hapag-Lloyd angehört. Wie wirkt sich das auf das Geschäft von Hamburg Süd aus?

Gast: Das zeigt deutlich, dass es eine verstärkte Konkurrenz am Markt gibt und dass die Reedereien reagieren.

Wie reagiert Hamburg Süd auf den neuen Abschwung am Markt?

Gast: Wir reagieren durch Verringerung von Kapazität in verschiedenen Fahrtgebieten und ersetzen ältere Tonnage durch kostenoptimierte Neubauten. Wir erhalten noch weitere 13 bestellte Neubauten, darunter sechs große Frachter mit 9600 Stellplätzen für Standardcontainer (TEU), die wir von 2013 an bekommen. Unser Vorteil ist, dass uns mehr als 50 Prozent der Flotte gehört und dass sie ein niedriges Durchschnittsalter hat. Das erleichtert uns das Kostenmanagement. Zudem verstärken wir unsere Kooperationen mit anderen Reedereien.

Wie entwickeln sich bei Hamburg Süd die Frachtraten für die Container?

Gast: Im Durchschnitt 2011 liegen wir etwas besser als 2010.

Dann dürfte auch der Gewinn 2011 wieder so gut ausfallen wie 2010?

Gast: Ganz und gar nicht. Wir sind froh, wenn es am Ende eine "schwarze Null" sein wird, also gerade mal kein Verlust. Und das, obwohl unser Umsatz im Jahresvergleich von 4,45 auf etwa 4,6 Milliarden Euro gestiegen ist und der Containerumschlag von rund 2,9 Millionen TEU auf 3,1 Millionen TEU. Wir sind mit unserem Ergebnis überhaupt nicht zufrieden. Die Ursache dafür sind vor allem die Kosten, die im zurückliegenden Jahr stark gestiegen sind: Preise für Schiffsbrennstoff, Terminalgebühren sowie die Preise für die Transporte der Container per Lastwagen und Bahn.

Wie wirkt sich die Lage auf die Beschäftigung aus?

Gast: Wir haben 2011 rund 50 neue Spezialisten für die IT und die Auftragsabwicklung eingestellt. Jetzt wird nicht weiter aufgestockt.

Bleibt es bei dem Neubau für ihre Zentrale an der Willy-Brandt-Straße?

Gast: Wir haben nicht vor, die Entscheidung zu revidieren. Tatsächlich werden die Arbeiten aber wohl erst Anfang 2013 beginnen, also ein Jahr später als geplant. Wir sind jetzt mit den Hamburger Behörden auf der Zielgeraden. Wir wollen alle gut 800 Mitarbeiter in der Hansestadt an einem Ort konzentrieren. Dafür haben wir zwei angrenzende Häuser gekauft, die abgerissen und neu aufgebaut werden. Die Zentrale selbst steht unter Denkmalschutz und wird modernisiert. Das wird insgesamt 60 bis 70 Millionen Euro kosten.

Der Bund wird die Reedereien unter deutscher Flagge in den nächsten Jahren mit 60 Millionen Euro unterstützen. Derzeit fahren 440 Schiffe unter deutscher Flagge. Kommt jetzt die Marke von 500 wieder in Sicht an die die Regierung die für die Reeder günstige Tonnagesteuer bindet?

Gast: Da bin ich zuversichtlich. Wichtig für die Branche ist vor allem, dass nun alle Reeder bereit sind, die Mehrkosten unter deutscher Flagge mitzutragen. Alle Reeder müssen künftig voraussichtlich 15 000 Euro je Schiff in den Fonds einzahlen, aus dem dann die Kostennachteile für die Schiffe unter Schwarz-Rot-Gold weitgehend ausgeglichen werden.

Wie hoch ist der Anteil der Flotte unter deutscher Flagge bei Hamburg Süd?

Gast: Wir übertreffen die erforderliche Quote von 20 Prozent deutlich. Wir lagen bis vor Kurzem bei 45 Prozent.

Jetzt nicht mehr?

Gast: Nein, weil wir gerade drei Containerfrachter nach Liberia ausgeflaggt haben. Die Schiffe fahren auf der Linie zwischen Europa, Indien und Pakistan und müssen daher das Horn von Afrika passieren. Dafür wollten wir bewaffnete Sicherheitskräfte an Bord nehmen. Unter deutscher Flagge ist verboten.

Warum?

Gast: Weil es immer noch keine Zustimmung der Regierung gibt. Wir können aber nicht darauf warten, bis endlich eine Entscheidung fällt. Hier geht es um die Sicherheit unserer Besatzungen und um die Ladung, die in Europa gern zu günstigen Preisen gekauft wird. Auf der einen Seite sollen die Reedereien unter deutscher Flagge fahren, auf der anderen erlaubt die Regierung es den Reedern aber nicht, sich selbst zu schützen. Ein höheres Tempo der Schiffe wie bisher würde zwar einen Überfall unwahrscheinlicher machen. Das wäre aber nicht wirtschaftlich. Daher müssen wir nach Liberia ausflaggen und nehmen Sicherheitspersonal an Bord.

Der Reisekonzern TUI hat 33 Prozent seiner Anteile an Hapag-Lloyd dem Konsortium Albert Ballin angeboten. Wäre es denkbar, dass Hamburg Süd Interesse zeigen könnte?

Gast: Aus heutiger Sicht nicht. Auch ein Einscheren in das Konsortium ist kein Thema.

Die Entscheidung über eine Elbvertiefung ist noch nicht gefallen. Wie wichtig ist der Ausbau für Hamburg Süd?

Gast: Für unsere kleineren Schiffe reicht die Tiefe aus. Aber der Ausbau des Flusses ist natürlich notwendig. Ohne sie würde Hamburg im Wettbewerb mit den anderen Häfen an der Nordsee ins Hintertreffen geraten.

Wie wichtig ist der Standort Hamburg?

Gast: Wir bringen fünf bis sieben Prozent der Containerladung und organisieren unsere Zubringerverkehre von der Elbe aus. Aber letztlich verbinden wir die Ostküste von Südamerika mit dem Rest der Welt. Dafür kommen auch Häfen wie Rotterdam, Antwerpen, Bremerhaven oder gar Triest infrage. Die hohen Preise der Hamburger Terminals machen es für uns nicht leicht, stets an Hamburg festzuhalten.

Neue Konkurrenz gibt es von August an auch aus Wilhelmshaven. Wie wirkt sich das für den Standort Hamburg aus?

Gast: Gerade Zubringerverkehre, die Ladung in die Ostsee befördern, könnten künftig am Jadebusen abgefertigt werden. Dann brauchten die Schiffe nicht mehr die Elbe zu passieren.

Wie wird 2012 für Hamburg Süd?

Gast: Wir gehen für die gesamte Branche nicht davon aus, dass es zu einer grundsätzlichen Erholung kommt. Dem erwarteten Wachstum im Transport von acht Prozent steht eine Ausweitung der Ladekapazität der weltweiten Flotte von neun Prozent gegenüber. Das wird die Frachtraten nicht stabilisieren. Jedenfalls solange nicht, bis wieder mehr Schiffe aufgelegt werden. Eine Tendenz dazu ist jedoch zu erkennen. Derzeit liegen mit 210 Schiffen etwa 3,4 Prozent der Weltcontainerflotte auf. Bis zum April könnte es schon mehr als fünf Prozent sein - und das ist eher konservativ geschätzt.