Der auch politisch aktive Reeder gilt mit seinem Fusionsplan mit dem Reedereigeschäft der Komrowski Gruppe als Vorreiter der Branche.

Hamburg. Er ist eine der schillerndsten Figuren in der deutschen Schifffahrt. Erck Rickmers, 47, Spross einer traditionsreichen Werft- und Reederfamilie, präsentierte sich zuletzt vor allem als Politiker. Als ein erfolgreicher Unternehmer, der sich nun der Pflege des Gemeinwohls widmen und der Gesellschaft etwas zurückgeben will. Seit dem Regierungswechsel im Frühjahr sitzt er für die SPD in der Hamburgischen Bürgerschaft. Viele politische Beobachter trauen ihm in den kommenden Jahren auch einen Senatorenposten in der Hansestadt zu.

+++ Rickmers gründet größte deutsche Reederei +++
+++ Hamburg bekommt eine neue Reederei +++

Gestern allerdings zeigte Rickmers einmal mehr, was er tatsächlich - geblieben - ist: Unternehmer. Der geplante Zusammenschluss seiner E.R. Schifffahrt mit dem Reedereigeschäft der Komrowski Gruppe ist ein strategischer Coup. Die Rickmers Dachgesellschaft E.R. Capital Holding wird dabei die unternehmerische Führung innehaben. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass noch andere Hamburger Schifffahrtsunternehmen Rickmers' Lockruf folgen und sich mit Frachtern und Kapitalanteilen an der geplanten neuen Blue Star Holding beteiligen. Rickmers ist somit der Vorreiter bei einer Neuordnung der Schifffahrtsbranche in Hamburg, die sich offenbar nicht länger hinauszögern lässt. "Bei den Reedereien wird es eine gewisse Auslese geben", sagte ein führender Hamburger Manager aus der Branche der Schiffsfinanzierer dem Abendblatt. "Den Wiederaufschwung in der Schifffahrt werden wir womöglich erst nach dem Jahr 2013 sehen."

Mit dem Wiederaufstieg nach Krisen kennt sich Erck Rickmers aus. Seine Familie ist mittlerweile in der fünften Generation in der Schifffahrt tätig. Unter anderem zeugt davon das Hamburger Museumsschiff "Rickmer Rickmers" an den Landungsbrücken. Mitte der 1980er-Jahre ging die familieneigene Rickmers-Werft in Bremerhaven unter. Wo einst Tausende Menschen Schiffe bauten, steht heute nur noch das steinerne Eingangsportal - dahinter das Arbeitsamt von Bremerhaven. Prägnanter ist der Abstieg des deutschen Schiffbaus in einem Bild nicht zu fassen.

Mit 24 Jahren brach Rickmers sein Studium ab und machte sich selbstständig. Mit 27 gründete er gemeinsam mit seinem älteren Bruder Bertram das Emissionshaus Nordcapital, das er nach einem Zerwürfnis mit Bertram später allein weiterführte. Ende der 1990er-Jahre folgte die Gründung von E.R. Schiffahrt, einer Reederei, die Containerschiffe, Offshore-Versorger und Massengutfrachter betreibt und sie an andere Reedereien vermietet, etwa an Containerlinien wie Maersk.

"Ich habe angefangen mit einem Darlehen meiner Mutter über 175 000 D-Mark. Das hatte nicht jeder, es war aber, aus heutiger Sicht, überschaubar", erzählt er. Seine E.R. Schiffahrt gehört heute zu den bedeutendsten Reedereien. Ihr 100. und 101. Schiff wurden im Oktober getauft. Zusammen mit Nordcapital arbeiten in Hamburg 300 Menschen für ihn, weltweit mehr als 3000.

Rickmers pflegt eine eigene Internetseite, auf der er detailliert seine politischen Überzeugungen darlegt. "Immer größere Teile der Bevölkerung können am wirtschaftlichen Erfolg nicht mehr teilhaben. Die Mittelschicht wird immer kleiner, die Gegensätze in der Gesellschaft größer", schreibt er dort. "Eine wichtige Aufgabe unserer Politik muss es sein, Wege zu finden, diese Entwicklung umzukehren."

2010 zog er sich in den Aufsichtsrat seiner Unternehmen zurück, wurde im Januar 2011 Mitglied der Sozialdemokraten und wenig später Bürgerschaftsabgeordneter. Mittlerweile ist er in mehreren Bürgerschaftsausschüssen aktiv und Mitglied des SPD-Fraktionsvorstandes. Ein verbindliches soziales Jahr für alle Frauen und Männer nach der Schule wünscht sich der Vater von fünf Töchtern. "Den Egoismus überwindet man nicht im Ethikunterricht im Gymnasium, sondern nur, wenn man selber Situationen erlebt, in der das Du vor dem Ich steht."

Für solch feingeistige Erkenntnisse ist in der Schifffahrt derzeit kaum Platz. Die Weltwirtschaftskrise holt sich ihren Tribut. 2009 erlebten die Reedereien im Gefolge der Weltfinanzmarktkrise einen steilen Absturz, dem ein überraschend schneller Wiederaufschwung im Jahr 2010 folgte. Doch schon in diesem Jahr fielen die Transportpreise für Container und die Mieten für Frachtschiffe erneut ab. In den Containerdiensten wie auch in der Massengutfahrt hatten die Reedereien zuletzt viel zu viele Frachter neu in Fahrt gebracht, in der Hoffnung auf einen langen Boom.

Die notwendige Bereinigung des Marktes war im Jahr 2009 ausgeblieben. Auch Reedereien, die kaum überlebensfähig sind, wurden damals weiter getragen, von Banken wie auch von Privatanlegern in Schiffsfonds. Das ist nun vorbei. Die Banken fordern deutlich mehr Sicherheiten und bessere Geschäftspläne als früher, und die Anleger wollen ihr Geld derzeit kaum in neue Schiffe investieren. Rickmers bringt es auf den Punkt: "Die Schifffahrt erlebt derzeit zwei Krisen auf einmal - die des Finanzmarktes und ihre eigene."