Handelskammer-Präses Melsheimer über die Euro-Krise, die “Droge“ Schulden und warum Schwarz-Gelb nur eine Scheinehe“ führt.

Hamburg. Die "Versammlung eines ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg" blickt auf eine jahrhundertealte Tradition zurück. Aber so eine Jahresschlussveranstaltung hat der Verein, aus dem 1867 die Handelskammer Hamburg hervorging, noch nicht erlebt - aus mehreren Gründen: Drei Präsides in einem Kalenderjahr - Frank Horch, Karl-Joachim Dreyer als Übergangs-Chef und schließlich der neu gewählte Fritz Horst Melsheimer - hat es in der Kammer noch nicht gegeben.

Auch dass ein Präses - wie jetzt Melsheimer - seinen Vorvorgänger Frank Horch nun als Wirtschaftssenator unter den gut 2200 Gästen begrüßen konnte, war noch nicht vorgekommen. Und schließlich fiel die fast schon traditionelle Abrechnung mit dem Senat so verhalten wie selten aus - was nur bedingt überraschte, nachdem der damalige Kammer-Präses Horch im März in den Senat gewechselt war.

Dennoch schlug Melsheimer in seiner ersten Jahresschlussansprache etliche bemerkenswerte Eckpfeiler ein, etwa zum Atomausstieg oder zur Regulierung der Finanzmärkte. Das sagte der Handelskammer-Präses über:

Die Krise der Finanzmärkte und der überschuldeten EU-Staaten:

"Unübersehbar ist, dass das Modell ,Wachstum auf Pump' auf Dauer nicht funktioniert. Das gilt für die Welt, das gilt für Europa, das gilt für Deutschland, für unsere Nachbarn und auch für unsere eigene Stadt." Hart ging der Präses mit der "verselbstständigten Finanzindustrie" ins Gericht. Sie müsse "zu ihrer eigentlichen Rolle als Dienstleister der Realwirtschaft zurückgeführt werden. (...) Dazu gehört auch eine Finanztransaktionsteuer, die im Falle ihrer weltweiten Einführung ein wirksames Instrument auch der Entschleunigung ist." Das dürfe sich aber nicht negativ auf die Kreditvergabe auswirken.

2012 und die "Droge" Schulden:

"Der Fall Griechenland zeigt dramatisch, dass die Droge ,Schuldenmachen' kein dauerhaftes Glücksgefühl verschafft. Wie bei jeder Droge endet der Trip notwendigerweise beim harten Entzug. (...) Das kommende Jahr ist das Jahr, in dem sich entscheiden wird, ob die Krise gemeistert werden kann oder nicht." Gemeinsame Anleihen der Euro-Staaten bezeichnete er als Irrweg: "Wer Euro-Bonds einführt, handelt wie Eltern, die einem Kind, das mit dem Taschengeld nicht auskommt, die eigene Kreditkarte schenken."

Die schwarz-gelbe Bundesregierung:

Melsheimer kritisierte, dass es der Bundesregierung an durchdachten Konzepten, an zielgerichtetem Handeln und an Führung fehle. "Statt schwarz-gelber Wunschehe erweckt der politische Stellungskrieg im Alltag der Koalition eher den Eindruck einer Scheinehe. Der Wirtschaft fällt es im Besonderen schwer, eine klare ordnungspolitische Haltung zu erkennen."

Die Energiewende:

"Unsere Handelskammer hält das sogenannte ,Restrisiko' der Atomenergie nicht länger für vertretbar, auch wenn Fukushima nur eingeschränkt auf Deutschland übertragbar ist." Beim Ausstieg müssten Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit der Strompreise und Aspekte des Klimaschutzes angemessen berücksichtigt werden.

Die Metropolregion:

Der Handelskammer-Präses warb dafür, dass der Norden noch stärker als gemeinsamer Wirtschaftsraum auftritt. Die Institution Metropolregion leide unter ihrer "schwerfälligen, intransparenten und unsichtbaren Struktur". Wirtschaft und Wissenschaft müssten viel stärker integriert werden, wozu die Kammer bereits ein Konzept vorgelegt habe. "Aber die Politik zögert. In kaum einem Politikfeld scheint mir die Diskrepanz zwischen schönen Reden und effektivem Tun größer als bei der norddeutschen Zusammenarbeit!"

Das Verhältnis zum Senat:

Mehr als alles andere brauche die Wirtschaft stabile politische Verhältnisse, sagte Melsheimer. Dass sich Horch als damaliger Kammer-Präses als Senatsmitglied zur Verfügung gestellt habe, habe "unsere volle Unterstützung". Melsheimer bot auch Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) "vertrauensvolle Zusammenarbeit" an und forderte ihn auf: "Nutzen Sie ... Ihre stabile Mehrheit für klare Führung und Orientierung!"

Tourismus:

Hamburg müsse viel stärker um ausländische Besucher werben, forderte Melsheimer. "Wenn deren Anteil weiter bei 20 Prozent stagniert, dann bleibt das Tor zur Welt allenfalls ein Törchen." Dass der Senat durch eine Tourismustaxe jährlich zehn Millionen Euro für die Kulturförderung einnehmen will, bedauerte der Kammer-Präses. Eine freiwillige Abgabe der Hoteliers hätte bürokratischen Aufwand erspart und böte "besseren Schutz gegen die Zweckentfremdung der Mittel durch die Politiker, die nun droht".

Die Elbphilharmonie:

Auf der Baustelle spüre man, dass Großes entsteht, von dem die Stadt profitieren werde, sagte Melsheimer. "Wir erwarten einen sprunghaften und nachhaltigen Anstieg der touristischen Attraktivität Hamburgs im Jahr der Fertigstellung, ja, wenn wir nur wüssten, wann dies genau ist?" Nach den Fehlern der Vergangenheit komme es nun darauf an, das Projekt zu einem guten Ende zu führen. "Wir wollen bei der Eröffnung das bestmögliche Konzerthaus der Welt präsentieren."