Finanzhilfen für den Schuldenstaat führen zur Destabilisierung des Euro, sagt der Ökonom Joachim Starbatty. Er klagt gegen die Bundesregierung.

Hamburg. Der Wirtschaftsprofessor Joachim Starbatty hat gegen das geplante Griechenland-Hilfe-Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht Klage eingereicht. Dem Klägerteam gehören auch die Professoren Karl Albrecht, Wilhelm Hankel, der ehemalige Hamburger Wirtschaftssenator Wilhelm Nölling und der Ex-Thyssen-Vorstand Dieter Spethmann an. Das Abendblatt sprach mit Starbatty über die Klage und die umstrittenen Finanzhilfen.

Hamburger Abendblatt:

Was werfen Sie der Bundesregierung konkret vor?

Joachim Starbatty:

Die Bundesregierung verstößt mit ihrer Hilfszahlung gegen den Lissabon-Vertrag, Artikel 125. Diese sogenannte Bail-out-Klausel verbietet es den Euro-Staaten, für die Schulden anderen Euro-Mitglieder zu haften oder einzutreten. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits festgestellt, dass die Währungsunion eine Stabilitätsgemeinschaft sein müsse. Doch diese Stabilitätsgemeinschaft wird mit der Hilfszahlung ausgehebelt. Wir wollen die Hilfszahlungen gerichtlich stoppen lassen. Schließlich geht es hier nicht um eine private Hilfszahlung von Bundesfinanzminister Schäuble an Griechenland, sondern um das Geld der Steuerzahler. Zudem besteht die Gefahr, dass die Europäische Zentralbank von ihren stabilitätspolitischen Grundsätzen abweichen muss.

Der erste Schritt ist schon erfolgt. Die EZB akzeptiert künftig griechische - also Ramschpapiere - als Sicherheit.

Den Schritt verurteile ich scharf. Die EZB gibt damit nicht nur ihre Unabhängigkeit auf, sondern gefährdet zugleich die Stabilität der Währung. Wenn der Euro auf Grundlage von Ramschpapieren ausgegeben wird, wird auch das ausgegebene Geld weich werden und an Wert verlieren. Das ist besonders verhängnisvoll, da der Großteil der Vermögen der normalen Bürger nicht in Sachanlagen, sondern in Geldvermögen besteht - und zwar in Versicherungen und zu erwartenden Rentenzahlungen. Wenn die solide Basis der Währung unterminiert wird, brechen die Einnahmen aus Geldvermögen und Versicherungen weg.

Kann das 110-Milliarden-Euro-Hilfspaket Griechenland retten?

Nein. Das Rettungspaket dient nicht den Griechen und ihrer Wirtschaft, sondern ist ein Rettungspaket für die Banken. Die ersten 22 Milliarden Euro werden dazu genutzt, um auslaufende Staatsanleihen zu bedienen, die vornehmlich von Banken gehalten werden. Wenn die Griechen dieses Geld nicht bekämen, gingen die Banken leer aus.

Das Rettungspaket hilft den Griechen also gar nicht?

Richtig. Die Sparauflagen sind das schärfste Restriktionsprogramm, das in der modernen Wirtschaftsgeschichte jemals verhängt wurde. Es trifft vor allem die einfachen Leute auf der Straße, die nichts mit den Zockereien der Banken und Regierungen zu tun haben. Sie müssen auf 20 bis 30 Prozent ihrer Gehälter verzichten. Das führt zum schärfsten Nachfrageeinbruch, den man sich vorstellen kann. Wie soll ein Land ohne Nachfrage seine Kapazitäten auslasten oder Produkte erwirtschaften, um Schulden zurückzuzahlen? Alles, was man mit dem Sparprogramm erreicht, ist, ein Land, das schon wankt, endgültig zu stürzen. Das Programm treibt Griechenland noch tiefer in die Rezession.

Wie sollte die Griechenland-Misere gelöst werden?

Die Kernfrage lautet: Wie kann Griechenland Überschüsse erzielen, um seine Schulden zurückzubezahlen? Das geht nur, wenn Griechenland aus der Währungsunion ausscheidet. Der Staat hat in der Euro-Region seine Wettbewerbsfähigkeit verloren. Griechenland sollte aus dem Euro austreten, seine Währung um 40 Prozent abwerten, um damit fehlende inländische durch ausländische Nachfrage zu ersetzen. Danach müsste es eine Schuldenkonferenz geben, wie die Altschulden bewertet werden und Griechenland an frisches Geld kommen kann. Auch die Banken müssten ihren Beitrag leisten. Dann erst haben die Griechen eine Chance, ihre Schulden zurückzubezahlen.

Welche Zukunft geben Sie dem Euro? Wird die Gemeinschaftswährung in zehn Jahren noch existieren?

Wenn die Euro-Länder weiter für die Schulden anderer Mitglieder einstehen, wird der Euro in zehn Jahren nicht mehr existieren. Man muss jetzt das Kranke heilen und nicht nur mit einer Salbe überdecken. Euro-Staaten, die ihre Schulden nicht mehr bedienen können, müssen wieder wettbewerbsfähig werden. Durch Austreten, Währung abwerten, sich stabilisieren und wieder in den Euro eintreten. Sonst gebe ich dem Euro keine Chance.