Fett Faseler, Nachtwächter im Keinsternehotel “Imperial“, hastet vorm Empfangstresen hin und her. Es ist halb vier Uhr früh.

Der Faseler betastet und befummelt seine Augen. Er findet, das linke sei größer als das rechte, es rage aus seiner Höhle heraus. Schon fürchtet er, ein Tumor im Tennisballformat drücke von hinten. Unlängst ist ihm die Geschichte eines Augenschmerzenmenschen zugeflogen, der, nachdem er endlich einen Arzt gesucht und gefunden hatte, nur noch einen Wimpernschlag lang leben durfte.

Die Dämmerung kriecht über die Türschwelle. Zwielicht krallt sich in den Ecken fest, zwischen den Stühlen im Hotelrestaurant, auf Tischen und Tresen. Fett Faselers Sinne straffen sich wie Stahltrossen. Er weiß um das Geschrei des Weckerhahns, um die Belebung von Orten, von Blutbahnen und Nervenzellen, die vorher geruht, wie tot dagelegen haben. Der Krauskopf kennt den Aufbruch wie den Abschied. Beide sind ihm vertraut, sowohl Schlaftrunkene auf dem Weg zur Frühschicht als auch Betrunkene auf dem Weg von der Nachtschicht. Gefangen zwischen Tag und Nacht, fühlt sich Faseler einem Zwitterwesen gleich, weder dem einen noch der andern zugehörig; ein Lebenszeitverschenkender mit spitzen Sinnen, der jedes Sandkorn seiner Restzeit spürt, Körner, die wie Sisyphosbrocken auf sein Kreuz herabwuchten.

Auf dem Tresen wartet Ablenkung, Lektüre, die der Faseler fürchtet, weil sie seinen Sehnerven wehtun könnte.

Vorm "Imperial" streunen und streichen Gossenkönige umher, Rinnsteinfürsten jauchzen und johlen; in einem Haus gegenüber verhängt eine Fettvettel ihre Fenster. Neugierige Augenblicke sollen draußen bleiben!

Letzte Nacht war eine harte Nacht, da hatte Faseler an alle seine Frauen gedacht. Heute scheint ihm alles nicht mehr wahr, was früher einmal war. Just bei diesem Gedanken knarrt die Eingangstür, und ein Bocksbeutler, ein Pedant weht auf einer bitterkalten Brise zum Empfang. Es ist knapp vor halb fünf. Der Behutete stellt sich als ein gewisser Fett Faseler vor, Nachtwächters Spiegelfechter aus dem Schattenreich. Er hält seinem Ebenbild eine Sanduhr vor Augen, einen gläsernen Doppeltrichter, dessen letzte Körner, tonnenschwer wie Sisyphosgestein, verrinnen und verrieseln. Dann reicht ihm der Schattenmann die Hand, reißt ihn aus seinem Körper, der wie schlafend, mit dem Kopf auf verschränkten Armen, sitzen bleibt, und zieht ihn mit sich fort.

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