Ob Freud sich einen Menschen, der von seinen Trieben malträtiert wird, so vorgestellt hat wie jene Frau auf Rene Magrittes "Die gigantischen Tage" (1928), wissen wir nicht. Die psychoanalytische Triebtheorie jedenfalls ist komplex. Was ist überhaupt ein Trieb? Laut "Das Vokabular der Psychoanalyse" ist es ein "dynamischer, in einem Drang bestehender Prozeß, der den Organismus auf ein Ziel hinstreben läßt". Freud versteht als Quelle des Triebs den körperlichen Reiz, der einen Zustand der Spannung hervorruft. Ziel ist es, diese Spannung aufzulösen - an einem Objekt und/oder dank dessen Hilfe.

Freud modifiziert seine Triebtheorie laufend. Sie unterteilt sich in drei Phasen: Anfangs unterscheidet er zwischen Sexual- und Ich- bzw. Selbsterhaltungstrieb. Dem Sexualtrieb widmet sich Freud zwischen 1905 und 1914 am stärksten, ohne daß er diesem Trieb ein spezifisches Objekt zuweist. Das könne, so Freud, vielfältig sein. Die zweite Phase fällt in die Zeit von Freuds Schrift "Zur Einführung des Narzißmus" (1914). Aus der Liebe, die man dem Selbstbild entgegenbringt, spricht ein libidinös (lustvoll) aufgeladener Ich-Trieb. Die letzte Phase beginnt mit "Jenseits des Lustprinzips" (1920). Zwischen den Weltkriegen revidiert Freud die dynamische Funktion des Triebs: Dem lebensbejahenden Eros stellt er den Todestrieb entgegen, der zur Selbstzerstörung strebt oder sich als Aggressions- und Destruktionstrieb zeigt - eine der umstrittensten Hypothesen Freuds.