Sydney. Pell war im Vatikan einst die Nummer drei. Später wurde er wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt. Nun ist der Kardinal gestorben.

Als der Erzbischof von Melbourne, Peter Comensoli, die Nachricht des Todes von George Pell kurz nach 10 Uhr am Mittwochmorgen (Ortszeit) als einer der ersten über Twitter verbreitete, zeigten die Kommentare, wie der Kardinal selbst im Tod noch die Menschen polarisierte. Unterstützer wie Hasser des 81-Jährigen reagierten mit teils starken Worten: Konservative Christen zeichneten Pell als „Heiligen“ und „Märtyrer“, während andere den Fokus auf die Opfer von sexuellem Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche legten.

Pell sei „an Herzkomplikationen nach einer Hüftoperation“ gestorben, schrieb Comensoli, der in seinem Tweet auch seine Trauer über den Tod des 81-Jährigen zum Ausdruck brachte. Pell hatte wenige Tage zuvor noch an der Beerdigung von Papst Benedikt XVI. teilgenommen.

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George Pell verbrachte über 400 Tage im Gefängnis

Der australische Kardinal hatte seine letzten Lebensjahre im Vatikan verbracht. Dorthin war er im September 2020 zurückgekehrt, nachdem ihn wenige Monate zuvor ein australisches Gericht doch wieder vom Vorwurf des Kindesmissbrauchs freigesprochen hatte. 13 Monate hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits im Gefängnis in Australien abgesessen – davon fünf Monate in Einzelhaft, um ihn vor anderen Insassen zu schützen.

Zwei Jahre zuvor war der frühere Finanzchef des Vatikans, einst der drittmächtigste Mann der katholischen Kirche, von einem anderen Gericht in Australien noch schuldig gesprochen und zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Der Vorwurf gegen Pell lautete, zwischen Dezember 1996 und Anfang 1997 zwei 13-jährige Chorknaben in der St. Patrick's Kathedrale in Melbourne sexuell missbraucht zu haben. Pell selbst hatte stets seine Unschuld beteuert. Noch bevor er sich dem Gericht in Australien stellte, hatte er vom Vatikan aus gesagt, dass eine Schmierkampagne gegen ihn stattgefunden habe: „Die Vorwürfe sind falsch: Allein schon die Vorstellung von sexuellem Missbrauch ist mir ein Gräuel.“ Nach dem Freispruch sagte Pell, eine „schwere Ungerechtigkeit“ sei nun behoben worden.

Gericht verhängte „Maulkorb“ für die Medien

Die Gerichtsverhandlungen hatte Pell stets stoisch über sich ergehen lassen. Im Gerichtssaal saß er immer auf demselben Sitz, mit gesenktem Kopf und immer gleich gekleidet mit schwarzer Hose, schwarzem Hemd und beiger Jacke. Der Schuldspruch 2018 konnte zunächst wegen einer Nachrichtensperre nicht berichtet werden. Das Gericht verhängte die Sperre, da noch ein zweites Verfahren gegen den Kardinal anstand, das später jedoch fallen gelassen wurde. Die australische Presse hielt sich weitgehend an den „Maulkorb“, nicht jedoch alle internationalen Medien. Dieses Prozedere feuerte die Kontroverse um den Geistlichen noch zusätzlich an.

1996 war Pell noch das erste führende Mitglied der Kirche gewesen, das Vorwürfe von Kindesmissbrauch gegen katholische Priester untersuchte. Als Erzbischof von Melbourne installierte er die sogenannte „Melbourne Response“. Zwischen 2014 und 2016 sagte er selbst mehrmals vor einer von der australischen Regierung eingesetzten Kommission aus und entschuldigte sich öffentlich bei einem früheren Ministranten, der in den 1970er Jahren von einem Priester missbraucht worden war. Zwischenzeitlich wurde er aber auch beschuldigt, nicht ausreichend gegen pädophile Priester vorgegangen zu sein und sogar „Maßnahmen in Betracht gezogen zu haben, um Situationen zu vermeiden, die Klatsch darüber provozieren könnten“, wie es im Abschlussbericht der Kommission hieß.

Pell war ein talentierter Sportsmann

Pell war am 8. Juni 1941 in der früheren Goldgräberstadt Ballarat in Australien geboren worden. Er gab die Chance, Profi-Sportler im Australian-Football zu werden, zugunsten des Priesterberufs auf und studierte in Melbourne, Rom und Oxford. Er war Erzbischof von Melbourne und später von Sydney, bevor er nach Rom berufen wurde, wo er für die Finanzen des Vatikans zuständig war. Pell galt als erzkonservativer Kirchenvertreter, der sich gegen Priesterinnen, gegen Scheidung, Abtreibung und Homosexualität aussprach.

Pater Eric Hodgens, Pells Schulfreund und Mitpriester, beschrieb Pell gegenüber der Autorin Louise Milligan einst als „ein politisches Tier“: Pell habe stets gewusst, welchen Weg er einschlagen müsse. Dabei sei er ein „Loyalist der Institution“ gewesen, wie es im „Guardian“ hieß. Trotz der zahlreichen Vorwürfe gegen ihn soll Pell stets die Unterstützung von Papst Franziskus gehabt haben.