Berlin. Trotz der weiterhin extrem hohen Corona-Fallzahlen ringen Bund und Länder um mögliche Lockerungen. Doch was sagen Wissenschaftler dazu?

  • Am heutigen Mittwoch werden Bund und Länder über Corona-Regeln beraten
  • In der Gastronomie, beim Einkaufen und für Großveranstaltungen könnten laut Beshlussvorlage Lockerungen kommen
  • Was sagt die Wissenschaft zu den Vorhaben der Politik?

Hohe Fallzahlen, aber mildere Verläufe, Rekord-Inzidenz, trotzdem weniger Corona-Patienten in den Kliniken. Die Debatte um Lockerungen der Corona-Maßnahmen läuft in Deutschland seit einigen Wochen auf Hochtouren – vor dem nächsten Corona-Gipfel am Mittwoch gibt es unterschiedliche Standpunkte, was der richtige Weg aus der Omikron-Welle sei. Die einen warnen vor zu schnellen Öffnungsschritten, andere peilen bereits den Weg zurück zur Normalität an.

Trotz unterschiedlicher Meinungen zu möglichen Lockerungen stehen diese laut einer Beschlussvorlage, die unserer Redaktion vorliegt, offenbar tatsächlich bevor. Demzufolge sollen bei der Bund-Länder-Konferenz zahlreiche Öffnungsschritte beschlossen werden, und zwar was verschiedene Bereiche des öffentlichen Lebens betrifft. Laut Beschlussentwurf sind etwa Lockerungen fürs Einkaufen, für Großveranstaltungen und für die Gastronomie vorgesehen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte vor dem Wochenende bereits angedeutet, dass auf dem Gipfel erste Corona-Öffnungsschritte vereinbart werden sollten. „Nach Einschätzung der Experten ist der Scheitelpunkt der Infektionswelle Mitte Februar zu erwarten“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Deshalb sei die Ministerpräsidentenkonferenz der richtige Zeitpunkt.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte zuletzt ebenfalls Lockerungen „deutlich vor Ostern“ in Aussicht gestellt.

Lockerung der Corona-Regeln: Wie wichtig ist 2G?

Vor dem nächsten Bund-Länder-Treffen hört man aus der Wissenschaft allerdings unterschiedliche Stimmen, was der richtige Weg sei. In der Diskussion sind etwa die 2G- und 2G-plus-Regelungen. Im Einzelhandel sind die Vorgaben in den Ländern bisher teils unterschiedlich: In manchen ist 2G bereits gekippt, andere Länder planen entsprechend.

Epidemiologe Timo Ulrichs von der Akkon Hochschule für Humanwissenschaften in Berlin erklärte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: „Generell wäre eine jetzige Lockerung der 2G-Regeln riskant, weil wir immer noch nicht abschätzen können, wie sich das auf die Omikron-Verbreitung und damit zeitversetzt auf die Einweisung ungeimpfter Infizierter und Erkrankter in die Krankenhäuser auswirken würde.“

Etwas anders hatte das zuletzt der Bonner Virologe Hendrik Streeck bewertet und die G-Regelungen in Frage gestellt: „Wir müssen vorsichtig zur Normalität zurück. Da darf es aus meiner Sicht keinen Unterschied zwischen Geimpften und Ungeimpften mehr geben“, sagte er dem „Münchner Merkur“. Aus seiner Sicht übertragen doppelt Geimpfte das Virus wie Ungeimpfte. Mit dem Booster ändere sich das zwar etwas, sicher aber nur für ein paar Monate. „Daher muss man sich generell die Frage stellen, ob man an den G-Regeln festhalten will.“

Ein Schild weist die Kunden eines Modegeschäfts in Potsdam auf die 2G-Regel hin.
Ein Schild weist die Kunden eines Modegeschäfts in Potsdam auf die 2G-Regel hin. © dpa

Lockerung der Corona-Maßnahmen: Dieses Risiko haben Ungeimpfte

Der Immunologe Carsten Watzl wies auf Anfrage darauf hin, dass es bei den 2G-Regelungen grundsätzlich nicht so sehr darum gehe, dass sich Ungeimpfte generell schneller ansteckten, sondern darum, dass sie ein höheres Risiko hätten, schwer zu erkranken.

„Das ist auch bei Omikron noch so, auch wenn die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf mit einer Omikron-Infektion gegenüber einer Delta-Infektion auch für Ungeimpfte reduziert ist“, stellte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie klar. Vor einem solchen schweren Verlauf schützten Impfung und besonders Booster sehr gut, bekräftigte Watzl.

Corona-Impfung: Davon hängt der Schutz bei Omikron ab

Mit Blick auf die Frage, inwiefern sich überhaupt das Infektionsrisiko bei der besonders leicht übertragbaren Omikron-Variante zwischen Ungeimpften, Grundimmunisierten und Menschen mit Auffrischimpfung unterscheide, gibt Watzl zu bedenken, dass dies von weiteren Faktoren wie etwa der Zeit seit der letzten Impfung oder auch dem verimpften Vakzin abhänge.

Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen verwies dazu auf einen aktuellen Bericht der britischen Gesundheitsbehörde (UKHSA). Demnach ist die Effektivität von Impfung und Booster gegen Omikron zwar geringer als gegen Delta, aber immer noch deutlich vorhanden, während Ungeimpfte keinen Schutz haben, erklärte Zeeb. Der Schutz vor einem schweren Verlauf, der ins Krankenhaus führe, sei auch bei Omikron noch deutlich höher.

Omikron: Warum die Maskenpflicht weiter wichtig ist

Wie wichtig FFP2-Masken im Kampf gegen Omikron blieben, hoben Ulrichs, Watzl und Zeeb hervor. „Sehr entscheidend, um die Omikron-Ausbreitung zu verlangsamen, ist das generelle Tragen von FFP-2-Masken“, so Ulrichs. „Maskentragen sollten wir noch mindestens bis zum vollständigen Abklingen der Omikron-Welle beibehalten.“

Aus Zeebs Sicht dürfte die Maske die am längsten beizubehaltende Schutzmaßnahme sein, auch wenn sonst in absehbarer Zukunft immer mehr Einschränkungen fielen – „gegebenfalls auch einfach als Gebot und nicht als Pflicht“, so der Experte.

Doch auch Kontaktreduzierung und Abstandsregelungen bleiben aus seiner Sicht wichtig. Auch, wenn nach und nach überall die 2G-Regelungen fielen, halte er es für sinnvoll, „über Begrenzung der Anzahl von Personen in Innenräumen nachzudenken“ – sowohl in Geschäften als auch in Restaurants.

Streeck hatte dem „Münchner Merkur“ gesagt, er halte für den Sommer eine Abschaffung von Corona-Maßnahmen – so auch der Maskenpflicht – für wünschenswert. „Ich plädiere für einen Sommer-Modus und für einen Winter-Modus“. In der warmen Jahreszeit könne auf Maßnahmen verzichtet werden, im Herbst und Winter müssten Maßnahmen sein.

(bml/dpa)