Berlin. Karl Lauterbach will Menschen mit Booster-Impfung von der Corona-Testpflicht ausnehmen. Ärzte kritisieren ihn für seinen Vorschlag.

  • Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat vorgeschlagen, Geboosterte von der Testpflicht bei 2G plus auszunehmen
  • Doch das stößt bei Ärzten auf scharfe Kritik
  • Was sie Lauterbach jetzt vorwerfen

Geimpft und getestet: Dieser doppelte Sicherheitsstandard (2G plus) gilt inzwischen an vielen Orten, je nach Landesregel zum Beispiel in Restaurants, bei Konzerten oder in Kliniken. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will Menschen mit Booster-Impfung jetzt bundesweit von dieser Corona-Regel ausnehmen – dreifach Geimpfte sollen von der Testpflicht befreit werden.

An diesem Dienstag will die Gesundheitsministerkonferenz darüber beraten. Kritiker sprechen von einem „schrecklichen Fehler“. Können wir uns angesichts der drohenden Omikron-Welle solche Lockerungen leisten?

Omikron-Welle und Lockerungen: Was plant Lauterbach?

Lauterbach will den Fachministerinnen und -ministern der Länder dazu an diesem Dienstag einen Vorschlag machen. Ob darin nur die Aufhebung der Testpflicht für Geboosterte bei 2G-plus-Veranstaltungen enthalten ist oder sogar das Ende der Testpflicht auch im Bereich der Alten- und Pflegeeinrichtungen, ist noch offen. Der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Klaus Holetschek (CSU), argumentiert, dass ein Wegfall der Testpflicht „nicht nur medizinisch sinnvoll“ sei, sondern auch einen zusätzlichen Impfanreiz liefere.

Ähnlich sieht es auch Lauterbach: Der Schutz für die Gruppe der Geboosterten sei um ein Vielfaches höher als nach nur zwei Impfungen. Selbst gegen die Omikron-Variante hätten sie mit den jetzigen Impfstoffen bereits einen Schutz von 75 Prozent. „Das ist sehr nennenswert“, sagte der SPD-Politiker. Lesen Sie auch: Warum Großbritannien eine „Omikron-Flutwelle“ fürchtet

Ende der Testpflicht als Anreiz für die dritte Impfung

Entsprechend Geimpfte, die sich infizieren, erkrankten in der Regel nicht schwer. „Somit ist die Booster-Impfung unfassbar wertvoll“, betonte Lauterbach. Derart Geimpfte jedoch noch zum Testen zu schicken, sei medizinisch nicht sinnvoll. Zudem könne ein Ende der Testpflicht ein Anreiz sein, sich boostern zu lassen.

Der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit erklärte, er halte Lauterbachs Plan virologisch für plausibel. Zudem seien die Testressourcen begrenzt. Der Präsident des Landkreistages, Reinhard Sager, stellte sich ebenfalls hinter Lauterbach: „Es ist gut nachvollziehbar, für Geboosterte die Testpflicht entfallen zu lassen. Der Schutz ist mit der dritten Impfung deutlich wirksamer“, sagte Sager unserer Redaktion. In einigen Bundesländern gilt die Lockerung bereits.

Ist das Ende der Testpflicht für Menschen mit Booster richtig?

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki kritisiert das geplante Ende der Corona-Testpflicht für Menschen mit Booster-Impfung scharf: „Ich warne dringend davor, die Geboosterten von der allgemeinen Testpflicht zu entbinden, denn damit wiederholen wir den schrecklichen Fehler, den Jens Spahn schon im Sommer gemacht hat“, sagte Kubicki unserer Redaktion. Als die Tests für Ungeimpfte kostenpflichtig gemacht worden seien, habe dies zur Folge gehabt, „dass wir den Überblick über das Infektionsgeschehen verloren haben“, so Kubicki.

Das Virus habe sich weitgehend unbemerkt weiterverbreiten können. Gerade bei der Omikron-Variante seien die Daten noch nicht zuverlässig. Es sehe aber so aus, als würde auch eine dritte Impfung nicht verhindern, dass man sich infiziere und das Virus weiterverbreite. „Daher wäre es fahrlässig und hochgefährlich, wenn wir zum Beispiel geboosterte Personen ohne Testung in die Seniorenresidenzen und Pflegeeinrichtungen lassen.“ Auch interessant: Corona-Variante: Wie gefährlich ist Omikron für Kinder?

Auch die Amtsärzte sind skeptisch: „Es ist verfrüht, Menschen mit Booster-Impfung von der Testpflicht zu befreien“, sagte Ute Teichert unserer Redaktion. Die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) mahnte: „Es wäre klüger abzuwarten, wie sich die Pandemie in den kommenden Wochen entwickelt.“

Omikron-Variante: Nicht die Fehler wiederholen

Die Omikron-Variante sei auf dem Vormarsch, man wisse aber noch nicht genau, wie gut die Booster-Impfungen dagegen wirkten. „Solange wir nicht genügend Daten haben, um dies sicher sagen zu können, sollten wir keine voreiligen Schritte gehen. Es wäre falsch, zu diesem Zeitpunkt bewährte Instrumente wie die Schnelltests aus der Hand zu geben“, so Teichert. Je breiter getestet werde, desto besser könne man Infektionen entdecken und nachverfolgen.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte ebenfalls vor einer Wiederholung von Fehlern: „Mit der Omi­kron-Variante rollt eine Flutwelle auf Deutschland zu. Deshalb dürfen die Gesundheitsminister keine Lockerungen beschließen“, sagte Vorstand Eugen Brysch unserer Redaktion. Vor Weihnachten politische Geschenke zu machen, das werde im Januar abgestraft. „Genau den Fehler gab es schon im letzten Jahr. Das darf sich jetzt nicht wiederholen.“

Wie geht es mit Omikron weiter?

Lauterbach sieht mit Blick auf die aktuelle Delta-Welle eine allmähliche Stabilisierung der Lage: „Der Rückgang der Fallzahlen ist echt“, schrieb der Minister auf Twitter. „Die Lage stabilisiert sich langsam.“ Experten gehen allerdings davon aus, dass die als besonders ansteckend geltende Omikron-Variante bereits Mitte Januar dominierend sein wird.

Lauterbach rechnet damit, dass ab April/Mai Anti-Omikron-Impfstoffe verfügbar seien. Wenn die Delta-Welle bis dahin gebrochen werde und mit den Booster-Impfungen eine Omikron-Welle abgewendet werden könne, „kommen wir ganz gut durch“.