Berlin. Die Omikron-Variante breitet sich in Deutschland aus und die Mediziner erwarten eine Zunahme der Patientenzahlen, auch bei Kindern.

Die Botschaft hat viele Familien alarmiert: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geht davon aus, dass sich bei der Omikron-Variante des Coronavirus vor allem Kinder häufiger infizieren und schwerer erkranken, dass Omikron also für Kinder bedrohlicher ist als Delta.

Der Virologe Christian Drosten sagt mit Bezug auf Südafrika: „Was man dort sieht, ist, dass gerade die jüngsten Kinder unter fünf Jahren verstärkt ins Krankenhaus müssen mit schweren Verläufen.“ Zwei Aussagen, viel Unsicherheit. Wie gefährlich ist Omikron für Kinder?

„Es ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer zu sagen, wie gefährlich Omikron für Kinder ist, weil wir noch keine zuverlässigen Daten haben“, sagt der Kinder-Intensivmediziner Florian Hoffmann. Klar sei, dass die Variante auf jeden Fall viel ansteckender ist. „Die Zahl der infizierten Personen und damit auch der Kinder wird dramatisch ansteigen. Was wir noch nicht wissen, ist, ob Omikron auch häufiger zu schwereren Krankheitsverläufen führt.“

„Müssen damit rechnen, dass durch Omikron mehr Kinder erkranken“

Hoffmann ist Generalsekretär der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) und Oberarzt an einer Münchner Kinderklinik. Er sieht drei mögliche Szenarien: Wenn Omikron so krank machen sollte wie Delta, würden deutlich mehr Kinder auf die Intensivstationen kommen, allein, weil sich viel mehr Kinder ansteckten.

Grundschulkinder mit Maske: Der Lehrerverband rechnet damit, dass die Omikron-Variante möglicherweise auch wieder Schulschließungen nötig machen wird.
Grundschulkinder mit Maske: Der Lehrerverband rechnet damit, dass die Omikron-Variante möglicherweise auch wieder Schulschließungen nötig machen wird. © EPA-EFE | Sascha Steinbach

Selbst wenn Omikron weniger krank mache, könne es dennoch passieren, dass allein wegen der hohen Zahl der Infizierten am Ende in absoluten Zahlen mehr Kinder ins Krankenhaus müssten als jetzt. Wenn Omikron zu noch schwereren Verläufen führe als Delta, werde man einen massiven Anstieg bei den schwerkranken Kindern sehen. Heißt: „Wir müssen also in jedem Fall damit rechnen, dass durch Omikron mehr Kinder erkranken.“ In absoluten Zahlen, aber möglicherweise nicht prozentual.

Aktuell ist die Lage auf den deutschen Kinderstationen noch von der schweren Delta-Welle geprägt: In den vergangenen Wochen sei die Zahl der intensivpflichtigen Kinder und Jugendlichen mit Corona-Infektion von neun auf vorübergehend 29 angestiegen. „Das haben wir mit großer Sorge beobachtet.“ Der deutliche Anstieg könne daran liegen, dass die Inzidenzen unter Kindern im Moment sehr hoch seien. Mittlerweile sei die Zahl wieder auf 23 Patienten zurückgegangen, acht davon müssten beatmet werden.

Corona: Viele infizierte Kinder in britischen Krankenhäusern

In Großbritannien liegen indes so viele kleine Kinder mit einer Coronavirus-Infektion im Krankenhaus wie nie zuvor. Aktuelle Daten zeigen, dass in der Woche bis zum 18. Dezember insgesamt 196 infizierte Kinder im Alter von 0 bis 5 Jahren in britische Kliniken eingeliefert wurden.

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Doch auch hier ist nicht sicher, ob die Omikron-Variante zu schwereren Verläufen führt. Stattdessen nehmen Experten an, dass der Anstieg vor allem auf die Zunahme der Covid-19-Fälle für diese Altersgruppe insgesamt zurückzuführen ist. Lesen Sie hier mehr: Viele infizierte Kinder in britischen Krankenhäusern

Nicht jedes Corona-positiv Kind ist wegen Covid in der Klinik

Das Problem der Corona-Intensivstatistik: Es werden auch Fälle mitgezählt, bei denen Patienten nicht wegen Corona behandelt werden, sondern aus anderen Gründen. „Nicht jedes Corona-positive Kind im Intensivregister ist wegen einer Covid-Erkrankung in der Klinik. Bei uns lagen auch schon Corona-positive Kinder, bei denen nicht die Covid-Infektion, sondern andere Ursachen wie ein Verkehrsunfall oder schwere Verbrühungen zur Intensivaufnahme geführt haben“, sagt Hoffmann.

Auch aus Südafrika wisse man derzeit vor allem, dass viele Kinder, die wegen anderer Ursachen in die Klinik aufgenommen würden, als Nebenbefund positiv getestet wurden. Mitte Januar werde Omikron in Deutschland wahrscheinlich die vorherrschende Variante sein. „Bis dahin werden wir im Verlauf genug Daten vor allem aus England haben, um zu wissen, wie gefährlich Omikron für Kinder wird.“

Aufmerksam verfolgen die deutschen Experten deswegen gerade, welche Nachrichten aus Großbritannien kommen: So hatte ein Londoner Arzt von einer ungewöhnlichen Häufung von Hautausschlägen bei mit Omikron-infizierten Kindern berichtet. Tatsächlich könne es sein, dass die neue Variante zu Hautausschlägen führe, sagt Hoffmann, das sehe man bei vielen Viren. „Aber wir müssen sehr vorsichtig sein mit solchen Einzelaussagen. Wir brauchen verlässliche Daten.“

Wann sollten Kinder geboostert werden?

Ob Kinder und Jugendliche zum Schutz gegen Omikron auch schnellstmöglich geboostert werden sollten, ist ebenfalls noch unklar: Bei den wenigsten Kinder liegt die zweite Impfung schon sechs Monate zurück. „Aber sie werden in diesen Bereich kommen und dann werden sie eventuell auch geboostert werden müssen.“ Es könne aber auch sein, dass die Immunantwort der Kinder deutlich länger anhalte und Kinder besser geschützt seien.

Angesichts der drohenden Ausbreitung der Omikron-Variante erwartet der Deutsche Lehrerverband indes bereits massive Beeinträchtigungen für Schülerinnen und Schüler: „Omikron kann leider dazu führen, dass wir doch wieder in Wechselunterricht und Distanzunterricht gehen müssen. Bei sehr hohen Inzidenzen unter Schülern dürfen auch flächendeckende Schulschließungen kein absolutes Tabu sein“, sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger dieser Redaktion. „Angesichts von Omikron ist es gefährlich, heute zu versprechen, dass es Schulschließungen nie wieder geben wird.“