Berlin. Bei „Dunja Hayali“ stritten die Gäste um den Umgang mit Clan-Kriminalität und Hass im Netz. Warum das nicht richtig funktionierte.
Es sind wichtige und derzeit breit diskutierte Probleme, die in der ZDF-Sendung „Dunja Hayali“ am Mittwochabend angesprochen wurden: Clan-Kriminalität und Hass im Netz. Einer der Gäste hatte eine ganz eigene – und ziemlich plump-populistische – Prophezeiung.
Spektakuläre Überfälle, Schießereien auf offener Straße, Organisierte Kriminalität – immer wieder werden diese Vorfälle zu Schlagzeilen, die mit kriminellen Clans in Verbindung gebracht werden. Dass es sich dabei nicht nur um eine Zusammenfassung der hochgelobten Serie „4 Blocks“ mit Frederick Lau und Kida Khodr Ramadan handelt, zeigen aktuelle Zahlen: 45 Verfahren allein im vergangenen Jahr wurden „Mitgliedern ethnisch abgeschotteter Subkulturen“ zugerechnet – und dabei 654 Tatverdächtige erfasst.
Mit Dunja Haylai diskutierten:
- Thomas Jungbluth, LKA Nordrhein-Westfalen
- Burkhard Benecken, Rechtsanwalt verschiedener Großfamilien
- Lamya Kaddor, Islamwissenschaftlerin
- Michael Kuhr, Berliner Sicherheitsunternehmer und Szene-Kenner
„Dunja Hayali“ zu Clan-Kriminalität: Auf welche Strategie die Polizei setzt
Erstmals hatte das Bundeskriminalamt vorige Woche in ihrem jährlichen „Bundeslagebild Organisierte Kriminalität“ Clan-Kriminalität extra ausgewiesen. Über 20.000 Mitglieder sollen die fünf größten Clans haben.
Auf eine Politik der „tausend Nadelstiche“ setzt deshalb Kriminaldirektor Thomas Jungbluth: „Mit Hilfe von Steuerfahndung, Zoll, Gewerbeaufsicht, Ordnungsamt und Bauaufsicht. Aber auch mit präventiven Maßnahmen“, sagte Jungbluth. Davon hatte sich auch Dunja Hayali ein Bild machen können.
Hayali begleitete eine Nacht die Essener Polizei bei Razzien in Restaurants und Shisha-Bars. 600 Gramm unversteuerter Tabak wurde in dieser Nacht konfisziert – für Hayali ein „überschaubares“ Ergebnis, für die Polizei aber Teil der Strategie.
Die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ sprach mit der Moderatorin über die Dreharbeiten, bei denen Dunja Hayali und ihr Team sich Streit mit Clans eingehandelt hatten.
- Clan-Kriminalität: So gefährlich sind Tschetschenen-Banden in Deutschland
Diskriminierung oder notwendige Abschreckung?
Diese Strategie hält hingegen der Jurist Burkhard Benecken für bedenklich. „Arabische Großfamilien werden in Deutschland diskriminiert“, sagt Benecken. Sobald jemand denselben Nachnamen wie ein bekannter Clan habe, gerate er unter Verdacht. Aus Sicht des Kriminaldirektors Jungbluth sei dies aber die einzige Möglichkeit: „Der Rechtsstaat zeigt jetzt Kante“, sagt Jungbluth.
Noch nicht ansatzweise weit genug geht diese Strategie aber dem sogenannten Szene-Kenner und „Werteunion“-Mitglied Michael Kuhr. Der CDU-Politiker forderte ein noch härteres Durchgreifen. „Der Staat hat komplett versagt, er sponsort die Clans sogar“, sagt Kuhr. Was er damit meinte, verstand niemand so recht. Aber schon einmal in Rage geredet, prophezeite der mit Deutschlandflaggen-Anstecker am Revers geschmückte Kuhr, dass in den seit 2015 nach Deutschland Geflüchteten bereits eine neue Clan-Generation bevorstehe.
Warum Jugendliche kriminell werden
Immerhin war mit der Islamwissenschaftlerin Lamyar Kaddor jemand auf dem Sofa, die etwas Vernunft in die Runde brachte: „Wenn Jugendliche kriminell werden, ist das in allererster Linie ein Integrationsproblem. Und dann ist es auch egal, ob es ein deutscher, türkisch- oder arabischstämmiger Jugendlicher ist“, sagte Kaddor.
Anzusetzen wäre demnach zuallererst mit präventiven Maßnahmen. Dass das Zeit brauche und nicht einfach sei, ändere nichts an dessen Dringlichkeit – nur die harte Hand des Staats nütze langfristig nichts, meint Kaddor.
Dunja Hayali sprach mit Renate Künast über Hass im Netz
Zur selben Erkenntnis kam Dunja Hayali auch mit ihren beiden weiteren Gästen, Renate Künast (Grüne) und die Strafrechtsprofessorin Elisa Hoven: Gegen Hass im Netz hilft nur das mühevolle langfristige Engagement der ganzen Gesellschaft. Das Urteil eines Berliner Gerichts, das offensichtliche Beleidigungen gegen die Grünen-Politikerin Renate Künast nicht als solche beurteilt hat, löste in ganz Deutschland Empörung aus.
„Der Staat lässt die Opfer damit allein“, konstatierte Hayali, die bereits vielfach eigene Erfahrungen damit gemacht hat. Die Strafrechtsprofessorin Elisa Hoven sah gar, dass der deutschen Justiz bislang der Blick darauf noch fehle.
Warum Dunja Hayali in ihrem Talk oft nur an der Oberfläche kratzt
Hayalis „Talkmagazin“, diese Mischung aus Einspielfilmen und klassischem Talk, hatte wieder einmal gute und wichtige Themen auf die Agenda gesetzt. Doch die Zeit, um zwei Themen ausreichend zu beleuchten, ist schlicht zu wenig.
In 60 Minuten kratzt die Sendung an der Oberfläche, die Erkenntnisse sind am Ende überschaubar, wenngleich diesmal einleuchtend: Die Probleme nachhaltig zu lösen ist mühevoll.