Berlin. Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor beobachtet bei vielen Migranten antisemitische Tendenzen. Sie sieht die Schulen in der Pflicht.

Die aus Dinslaken in NRW stammende Lamya Kaddor (40) ist Gründungsvorsitzende des Liberal-Islamischen Bunds, der seit 2010 besteht. Die Deutsche mit syrischen Wurzeln zählt zu den wichtigsten muslimischen Stimmen des Landes. Ihr aktuelles Buch heißt „Die Zerreissprobe. Wie die Angst vor dem Fremden unsere Demokratie bedroht“. Jetzt greift die Islamexpertin ein brisantes Thema auf.

Lamya Kaddor warnt anlässlich des 80. Jahrestags der November-Pogrome 1938 vor wachsendem Antisemitismus in Deutschland durch Migranten.

„Wir dürfen das Problem nicht kleinreden, auch wenn es in der Bundesrepublik seit Jahrzehnten einen hartnäckigen und aggressiven Antisemitismus gibt“, sagte Kaddor (40) dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.

„Antisemitismus in vielen Länder Staatsräson“

„Viele Einwanderer kommen aus Ländern, in denen Antisemitismus, kaschiert als angebliche Israelkritik, eine Art Staatsräson ist“, erläuterte sie: „Die treffen bei uns auf die zweite oder dritte Generation früherer Einwanderer mit einer eher diffusen Judenfeindlichkeit.“

Kaddor appellierte an die Schulen, sich noch stärker als bislang mit Rassismus, Intoleranz und Antisemitismus auseinanderzusetzen. „Der Nahost-Konflikt macht Debatten im Klassenzimmer, gerade dort, wo mindestens die Hälfte der Schüler einen muslimischen Hintergrund hat, sehr schwer“, sagte die muslimische Publizistin zum 9. November. „Lehrer, die das nicht im Blick haben, machen die Erfahrung, dass sie am Ende die Dummen sind.“

Viele Lehrer wüssten häufig zu wenig über den Konflikt und machten den Fehler, Juden und Israel gleichzusetzen, ergänzte die Islamwissenschaftlerin. „Aber man kann nicht alle Juden außerhalb und innerhalb Israels für die Politik einer Regierung verantwortlich machen.“

Kaddor forderte zudem, im Unterricht mehr über die jüdische Geschichte als nur den Holocaust zu behandeln. „Kinder und Jugendliche erfahren alles über die Vernichtungsgeschichte und nahezu nichts über jüdisches Leben oder über religiöse Überschneidungen.“ Das sei aber wichtig, um die eigenen Werte an denen anderer Kulturen oder Religionen abgleichen zu können. (W.B./dpa)