Berlin. In zwei Wochen steht der geplante Brexit an. Wird es dazu kommen? Darüber diskutierte „Maischberger“ mit ihren Gästen.

Es ist eine „never ending story“. Der 29. März – er sollte als Tag des Ausstiegs der Briten aus der Europäischen Union in die Geschichte eingehen. Die britische Premierministerin Theresa May aber will im britischen Parlament einfach keine Mehrheit für ihren mit der EU ausgehandelten Brexit-Vertrag bekommen.

In ihrer Polit-Talkshow versuchte Moderatorin Sandra Maischberger mit ihren Gästen nicht bloß darüber zu spekulieren, was in den nächsten Wochen passiert, sondern auch herauszufinden, was langfristig aus der EU und aus Großbritannien werden könnte.

Zu Gast waren

• der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn

• der AfD-Parteichef Jörg Meuthen

• die ARD-Börsenexpertin Anja Kohl

• der ehemalige Leiter des ARD-Studios in Brüssel Rolf-Dieter Krause

• der britische Politikwissenschaftler Anthony Glees

• der Europakorrespondent der „Welt“ Dirk Schümer.

Es gehe zu wie bei „Monthy Python“

Zwei Jahre hatten die EU und Großbritannien Zeit zur Vorbereitung. Zwei Wochen vor dem eigentlichen Termin aber ist weiterhin alles offen: Wird das britische Parlament dem Deal noch zustimmen? Wird es einen harten Brexit geben – also ohne Vertrag? Kommt es zu einer Verlängerung der Ausstiegsfrist? Zu einem zweiten Referendum oder gar zu Neuwahlen?

Wer das Hin und Her, die unzähligen Abstimmungen und Verhandlungen verfolgt, kann sich dabei schnell „veräppelt“ vorkommen. Für Dirk Schümer, Europakorrespondent der „Welt“, gehe es ein bisschen so zu wie bei „Monthy Python“, einer britischen Komikergruppe wohlgemerkt. Doch unterhaltsam sei die festgefahrene Situation schon lange nicht mehr. „Wir nähern uns der Müdigkeit, obwohl wir hier ein historisches Thema haben: Was wird mit der EU ohne die Briten?“


Ein harter Brexit sei noch nicht vom Tisch

Zunächst einmal stellten die Gäste – allen voran Rolf-Dieter Krause – klar, dass ein harter Brexit noch längst nicht vom Tisch sei. Das britische Parlament hatte zwar gegen einen Austritt ohne Abkommen gestimmt, nimmt es den Vertrag von Theresa May aber nicht an, kann es nicht selbstständig den Austrittstermin verschieben.

Die EU müsste einem solchen Antrag erst zustimmen. Fraglich, ob sie diesem Wunsch nachkommen wird – und unter welchen Bedingungen. EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani kündigte gegenüber unserer Redaktion bereits an, dass man den Brexit höchstens um ein paar Wochen verschiebe werde.

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    Wäre eine Frist-Verlängerung sinnvoll?

    Welchen Sinn hätte so eine Verlängerung? Dass die EU noch Änderungen im Vertrag zulässt, daran glaubt Rolf-Dieter Krause nicht. „Wenn die EU ihren Charakter nicht aufgeben will, dann kann sie nichts Anderes vereinbaren als das, was sie ausgehandelt hat.“ Der Journalist spricht sich stattdessen für ein zweites Referendum aus. Heute seien die Briten besser über das informiert, was auf sie zukomme. Bei der ersten Abstimmung hätten zu viele Lügen in der Welt kursiert.


    Für die Börsenexpertin Anja Kohl ist die Sache klar: Eine Verschiebung des Brexits würde die Umstände nur verschlimmern. „Besser wir ziehen jetzt einen Schlussstrich.“ Die Wirtschaft habe sich auf den Austritt am 29. März vorbereitet. Alles andere führe nur noch zu mehr Unsicherheit und Politikverdrossenheit.


    Für „Welt-Korrespondent“ Dirk Schümer ist eine Verlängerung absurd. Wenn man bei einem Restaurantbesuch die Speisekarte vorgelegt bekomme, sich aber den ganzen Abend lang für kein Gericht entscheiden könne, dann sei die Küche eben auch irgendwann zu. Der britische Politikwissenschaftler Anthony Glees bringt während der Diskussion eine andere Person ins Spiel: Die Queen. „Ohne Konsens sterben wir“, müsse sie endlich deutlich sagen. Ein Machtwort von oben also. Oder aber Neuwahlen oder ein weiteres Referendum. Jeremy Corbyn, Chef der Labour-Partei, könnte er sich als neuen Premierminister vorstellen.

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    AfD-Parteichef Jörg Meuthen verglich bei „Maischberger“ den Brexit mit der Auflösung der Tschechoslowakei.
    AfD-Parteichef Jörg Meuthen verglich bei „Maischberger“ den Brexit mit der Auflösung der Tschechoslowakei. © WDR/Max Kohr | WDR/Max Kohr

    AfD-Chef Meuthen zieht Vergleich mit Tschechoslowakei

    Und wie ist es mit einem harten Brexit – wäre das wirklich so schlimm? ARD-Börsenexpertin Anja Kohl betont, dass Großbritannien wirtschaftlich viel stärker darunter leiden würde als Deutschland. London – das Herzstück der britischen Wirtschaft – werde so lahmgelegt, Großbritannien auf Dauer isoliert.


    Die Ausstiegspläne Großbritanniens aus der EU haben ein Chaos, ja ein großes Schlamassel, in ganz Europa angerichtet. Darin sind sich die Talkgäste einig – bis auf Einer. Der AfD-Parteivorsitzende Jörg Meuthen appelliert, den Brexit gelassener zu nehmen. Es werde ein Weltuntergangsszenario geschildert, was übertrieben sei. „Das kommt nicht so dicke.“

    Er bewundere die Briten für ihren Pragmatismus und ihre Klugheit. Die Trennung der Tschechoslowakei damals habe auch funktioniert. „Das war dann aber doch noch eine Nummer kleiner“, macht Sandra Maischberger selbst auf den hinkenden Vergleich aufmerksam.

    „Die Briten werden unheimlich fehlen“

    Meuthens Argumentation kommt nicht ohne einen Seitenhieb auf die Kanzlerin aus. Die Antwort auf die Frage, wer den Brexit ins Rollen gebracht habe, ist für ihn eindeutig: Angela Merkel. Die Briten hätten gesehen, dass Merkel Grenzen missachtet habe und seien davon abgeschreckt worden. Rolf-Dieter Krause mahnt daraufhin an, dass es einen Unterschied gebe. Meuthen und die AfD störten sich an muslimischen Einwanderern, den Briten gehe es um europäische Zuwanderer.

    Meuthens Aussagen verleiten die anderen dazu, umso deutlicher ein Plädoyer für Europa abzugeben. Dabei werden sie fast schon sentimental. „Die Briten werden unheimlich fehlen“, betont Anja Kohl. Und Rolf-Dieter Krause merkt an: „Als Norddeutscher sind mir die Briten viel näher als die Franzosen.“ Europa müsse jetzt zusammenhalten, wenn es in der Welt nicht „verfrühstückt“ werden wolle. Man brauche Großbritannien in der Nato, in der Sicherheitspolitik. „Es kann uns nicht egal sein, ob es den Briten gut oder schlecht geht.“

    Jean Asselborn lässt sich sogar dazu hinreißen im Eins-zu Eins-Gespräch Jörg Meuthen zu erklären, warum man Europa brauche. Europakritiker gegen Europaverfechter – eine Diskussion, wie so wohl in diesen Tagen nicht selten in Deutschland und anderswo in Europa geführt werden dürfte.