Befangenheitsantrag der Verteidiger von Jörg Kachelmann: Gutachter mutmaßt, die Ex-Geliebte habe einen “Blaue-Flecken-Selbsttest“ gemacht.

Mannheim. Es war nicht der erste Befangenheitsantrag im Kachelmann-Prozess . Aber es war der mit dem meisten Zündstoff. Ankläger Lars-Torben Oltrogge hielt gestern, am vierten Verhandlungstag, dem von der Verteidigung bestellten Rechtsmediziner Bernd Brinkmann vor, nicht unvoreingenommen gearbeitet zu haben. Der Genetikspezialist aus Münster hatte die Verletzungen des mutmaßlichen Opfers zu bewerten, darunter blaue Flecken an den Beinen und eine längliche rote Wunde am Hals. Die Verletzungen hielt Brinkmann für schwer vereinbar mit dem von Claudia D. geschilderten Tathergang. Wettermoderator Jörg Kachelmann soll sie mit einem Messer bedroht und vergewaltigt haben.

Staatsanwalt Oltrogge nannte Brinkmann "befangen", weil dieser wohl "auf ein Szenario hingearbeitet habe, das den Wünschen seines Auftraggebers" entspreche, so Oltrogge. Zwar vertagte das Mannheimer Landgericht eine Entscheidung über den Antrag, doch kamen quasi nebenbei bemerkenswerte Details aus dem Gutachten zutage. Die 37 Jahre alte Radiomoderatorin, einst Kachelmanns Geliebte, soll bereits lange vor der angeblichen Tat in der Nacht zum 9. Februar 2010 eine Art "Blaue-Flecken-Selbsttest" an ihren Oberschenkeln durchgeführt und die Ergebnisse fotografiert haben.

Die Ermittler haben auf dem PC der blonden Frau aus Schwetzingen Fotoaufnahmen entdeckt, die unter anderem bräunlich-grün verfärbte Stellen an den Bein-Innenseiten zeigen. Claudia D., die als Nebenklägerin auftritt, hat wohl zugegeben, dass es sich um ihre Schenkel handelt. Die Bilder sollen schon älter sein, ein Jahr oder mehr.

Die Fotos müssten "mit hoher Wahrscheinlichkeit an eine Selbststudie denken lassen", schlussfolgerte Gutachter Brinkmann. Das mutmaßliche Opfer habe testen wollen, ob es sich selbst blaue Flecken an den Beinen beibringen könne und wie sich diese im Lauf der Zeit veränderten. Staatsanwalt Oltrogge bestreitet, dass sich diese Analyse zwingend aufdrängt. Aus den Fotos lasse sich mitnichten ablesen, wodurch die Flecken entstanden seien und warum sie fotografiert wurden. Am Rande der Verhandlung hieß es gerüchteweise, Claudia D. habe ausgesagt, die Hämatome seien einst beim etwas härteren Liebesspiel mit Kachelmann entstanden.

Ein Selbsttest, wie ihn Brinkmann unterstellt, würde die Vermutung nahelegen, dass es sich bei dem Vergewaltigungsvorwurf um einen geplanten Racheakt handeln könnte. Immerhin hatten sich nach der angeblichen Tat bei Claudia D. an eben den Stellen dunkle Blutergüsse gefunden. Die Version vom Racheakt versucht Kachelmanns Verteidigung zu untermauern.

Wie der Streit über die mutmaßliche Befangenheit des Gutachters ausgeht, ist noch nicht entschieden. Doch sollte das Gericht dem Antrag stattgeben, verlöre die Verteidigung nicht nur einen wichtigen Experten. Auch seine strittigen Gutachten wären samt und sonders für das Verfahren wertlos.

Mit Spannung hatten Journalisten und Zuschauer aber vor allem auf die Aussagen der Eltern von Claudia D. gewartet. Das Gericht schloss jedoch die Öffentlichkeit aus, wie es dies schon bei der Aussage einer anderen Ex-Geliebten Kachelmanns praktiziert hatte.

Ein weiteres Rätsel warf die Vernehmung von zwei Beschäftigten des Hotels Holiday Inn Expres s am Flughafen Frankfurt/Main auf, in dem Kachelmann nach der angeblichen Tat übernachtet hatte. Der Schweizer erhielt am 9. Februar um 3:30 Uhr den Zimmerschlüssel. Die Frage ist, wo er sich aufgehalten hat, sollte sich die Tat so zugetragen haben wie von Claudia D. geschildert. Danach soll Kachelmann nämlich die Wohnung des mutmaßlichen Opfers nach der Vergewaltigung gegen ein Uhr verlassen haben. Von Schwetzingen bis zum Hotel sind es höchstens 60 Minuten Fahrtzeit. Es würde also mindestens eine Stunde fehlen. Immerhin gab eine Rezeptionistin des Hotels zu Protokoll, der Gast sei "freundlich", alles sei normal gewesen. Sie fügte hinzu: "Gäste, die sich auffällig verhalten, hat man im Gedächtnis."