Vorwürfe zum deaktivierten Alarm und die Einflussnahme auf Forscher ziehen BP tiefer in den Öl-Sumpf. Unwetter stoppt die Arbeiten.

Washington/London/Berlin. Die Negativschlagzeilen um den britischen Ölkonzern BP reißen nicht ab. Wegen eines aufziehenden Tiefdruckgebietes im Golf von Mexiko musste BP den Kampf gegen die Ölpest am Freitag unterbrechen. Gleichzeitig gibt es neue schwere Vorwürfe gegen den britschen Konzern: Ein führender US-Wissenschaftler warf dem Ölkonzern vor, BP wolle angesehene Forscher zum Schweigen bringen. Ebenfalls schwere Vorwürfe erhebt ein leitender Techniker. Der Mann berichtete vor einem staatlichen Ermittlungsausschuss in den USA, dass das Alarmsystem auf der gesunkenen Ölbohrplattform "Deepwater Horizon" schon ein Jahr vor der Explosion der Bohrinsel teilweise abgeschaltet wurde.

Mike Williams sagte vor dem Ausschuss des Bundesstaates Louisiana in Kenner nach Angaben des Fernsehsenders CNN, das Management hätte damit verhindern wollen, dass die Mannschaft in der Nacht durch einen Fehlalarm geweckt werde. Die Computer hätten zwar gefährliches Methangas noch gemessen, aber keinen akustischen oder optischen Alarm ausgelöst. Der Alarm sei schon ein Jahr vor der Explosion der Plattform am 20. April abgeschaltet worden. Elf Arbeiter kamen damals bei der verheerenden Detonation ums Leben.

Der Vorsitzende des US-Professorenverbandes AAUP, Cary Nelson, sagte dem dem britischen Sender BBC, das Unternehmen wolle Wissenschaftler mundtot machen. BP habe angesehene Forscher unter Vertrag genommen, um Informationen eine Zeit lang unter Verschluss zu halten. „Ein wahrlich gigantischer Konzern versucht das Schweigen von Hochschullehrern in einem umfassenden Ausmaß zu erkaufen“, sagte Nelson. Der Londoner Ölkonzern hat nach eigenen Angaben mehr als zwölf US-Wissenschaftler engagiert, bestreitet aber, dass es für die Experten Beschränkungen gebe.

Nelson warf dem Konzern vor, BP wolle sich mit den Informationen der Forscher einen Vorteil bei bevorstehenden Gerichtsprozessen verschaffen. Anwälte des Energiekonzerns wollen die Wissenschaftler laut den Verträgen, die der britische Sender am Sonnabend dokumentierte, an das Unternehmen binden. Die Forscher müssten demnach enge Absprache über ihre Arbeit mit den Anwälten des Konzerns führen.

Ein besonderes Anliegen in der Vereinbarung über das geistige Eigentum ist „strenge Vertraulichkeit“. Ergebnisse der Forschung dürfen frühestens nach drei Jahren veröffentlicht werden – oder früher, falls die US-Regierung über den Wiederaufbauplan für die gesamte Golfregion vorher zustimmen sollte.

Im Golf von Mexiko mussten die Experten am Freitag ihren Kampf gegen die Ölpest wegen eines nahenden Unwetters stoppen. Der Tropensturm „Bonnie“ schwächte sich zwar zu einem Tief ab, wie das Nationale Hurrikan-Zentrum in Miami mitteilte. Eine Sturmwarnung bestehe aber weiterhin für Teile der US-Küste, berichtete CNN. Einsatzleiter Admiral Thad Allen hatte den Abzug der meisten Schiffe nahe der Unglücksstelle angeordnet. „Jetzt ist es unsicher, daher verlassen wir die Region“, sagte Allen. Insgesamt werde der Kampf gegen die Ölpest durch das Unwetter vermutlich um 10 bis 14 Tage zurückgeworfen. Das Nationale Hurrikan-Zentrum geht davon aus, dass erste Vorboten der Schlechtwetterfront am späten Sonnabendbabend (Ortszeit) die Region der Umweltkatastrophe vor der US-Küste erreichen. Bereits zuvor fegte „Bonnie“ mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 56 Stundenkilometern über Florida hinweg. Es blieb unklar, ob das Unwetter noch an Kraft zunimmt, bevor es die Stelle erreicht, wo im April die Bohrinsel sank. Die Kappe, die das Ölleck in 1500 Meter Tiefe seit einer Woche erfolgreich abdichtet, soll bis auf weiteres verschlossen bleiben, hieß es. Eine Beobachtung der Abdeckung ist wegen „Bonnie“ bis auf weiteres nicht möglich.

Die Internationale Energie-Agentur (IEA) forderte angesichts der Öl-Katastrophe eine stärkere Überwachung der Ölkonzerne. Der Chefökonom der IEA, Fatih Birol, sagte der „Berliner Zeitung“ (Sonnabend-Ausgabe): „Eine bessere Regulierung der Ölindustrie ist möglich und überaus nötig.

Wir brauchen neue Regeln und am dringlichsten eine bessere Überwachung der Ölkonzerne durch staatliche Aufsicht.“Birol sprach sich dennoch dafür aus, neue Tiefseeprojekte anzugehen. „Wir dürfen nicht vergessen, dass ein sehr großer Teil der neuen Ölquellen, die sich noch anzapfen lassen, um unseren steigenden Bedarf zu decken, unter dem Meer liegen.“