Der Inzesttäter von Amstetten, Josef Fritzl, muss lebenslang in eine geschlossene psychiatrische Anstalt. Ein Schwurgericht im niederösterreichischen St. Pölten sprach den 73-Jährigen des Mordes durch unterlassende Hilfeleistung an seinem neugeborenen Sohn Michael schuldig. Sehen Sie Bilder zum Fall Amstetten. Bilder zum Prozess.

St. Pölten. Außerdem wurde er in allen weiteren Anklagepunkten wie der Sklaverei schuldig gesprochen. Eines der Kinder starb 1996 nur 66 Stunden nach der Geburt. Schon nach dem ersten Punkt war klar, dass Josef Fritzl eine lebenslange Freiheitsstrafe erhalten würde. "Acht Ja", erklärte die Schöffin: Das hieß, alle acht Geschworenen hatten den Angeklagten des Mordes durch unterlassene Hilfeleistung schuldig befunden. Einstimmig waren die Schuldsprüche auch bei allen weiteren Anklagepunkten, darunter "Sklaverei" und "schwere, fortgesetzte Vergewaltigung". Insgesamt beriet die Jury etwa vier Stunden über das Urteil.

Fitzl erklärte vor Gericht: "Ich bereue es aus ganzem Herzen, was ich meiner Familie angetan habe. Ich kann es leider nicht mehr gut machen. Ich kann nur schauen, den Schaden nach Möglichkeit zu begrenzen". Mit diesen letzten Worten des Angeklagten Josef Fritzl ist am Vormittag die Verhandlung im Inzest-Prozess von St. Pölten zu Ende gegangen. Auf das Urteil der Geschworenen reagierte Josef Fritzl wie folgt: "Ich nehme das Urteil an", wiederholte er mehrmals. Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf Rechtsmittel.

Elisabeth Fritzl meldete sich zum Abschluss des Prozesses zum ersten Mal öffentlich zu Wort. Über ihre Anwältin Eva Plaz ließ sie erklären, sie wünsche, dass ihr Vater nie mehr in Freiheit kommt: "Sie will, dass der Angeklagte bis zum Tod zur Verantwortung gezogen wird", sagte die Anwältin.

Das Urteil einer lebenslangen Freiheitsstrafe für Josef Fritzl (73) ist nach Meinung seines Verteidigers "die logische Folge seines Geständnisses". "Mein Mandant hat das Urteil angenommen. Er empfindet die Strafe als gerecht", sagte Fritzl-Anwalt Rudolf Mayer: "Damit endet mein Mandat!" Er fügt noch hinzu: "Ab heute kommt Buße auf ihn zu im Gefängnis."

Gerichtssprecher Franz Cutka sagte, Fritzl habe das Urteil "ruhig und gefasst" aufgenommen. Trotzdem werden Maßnahmen zur Suizidpräventin ergriffen, so der stellvertretende Gefängnisdirektor Erich Huber-Günsthofer. Die Psychiaterin Adelheid Kastner erläutert die Vorkehrungen: Mit dem Prozess sei das ganze Kartenhaus eingestürzt, das Fritzl errichtet habe, sagte Kastner im Österreichischen Rundfunk (ORF). Fritzl werde mit der neuen Realität "schlecht leben können", fügte sie hinzu. Nach einer nochmaligen Begutachtung werde entschieden, in welche Anstalt für abnorme Rechtsverbracher er eingewiesen werde.

Dass Fritzl jemals wieder auf freien Fuß kommen könnte, hält Gerichtssprecher Cutka höchstens theoretisch für möglich. Dazu würde es zweier Voraussetzungen bedürfen, erklärte er: Zum einen müsste er als geheilt aus der Anstalt entlassen werden. Dann käme er in den normalen Strafvollzug, wo bei Lebenslang eine bedingte Entlassung frühestens nach 15 Jahren denkbar wäre. Darüber müsste ein Gericht entscheiden. "Theoretisch, glaube ich, wäre das möglich", sagte der Sprecher.

Der Anwalt des Inzest-Täters Rudolf Mayer erklärte unterdessen: "Er hat den Wunsch nach Entschuldigung geäußert. Doch er wartet ab, was die Opfer von ihm wünschen. Da gibt es bei ihm schon die Bereitschaft, den Opfern in therapeutischen Maßnahmen - natürlich unter Bewachung - zur Verfügung stehen, wenn das gewünscht ist."

Fritzl hatte sich am Mittwoch völlig überraschend in allen Punkten der Anklage schuldig bekannt, darunter auch des Mordes durch unterlassene Hilfeleistung an einem seiner sieben mit der Tochter gezeugten Kinder.

Doch bei Elisabeth löste das Geständnis keinerlei Genugtuung aus. Im Gegenteil: Sie fühlte sich an den 28. August 1984 erinnert, als ihr Vater sie täuschte und unter dem Vorwand, ihm beim Tragen einer Tür zu helfen, in den Keller lockte. Es war der Auftakt ihrer fast 24-jährigen Gefangenschaft. Aus Sorge, dass die Geschworenen sich ebenfalls von ihrem Vater täuschen lassen und womöglich das Geständnis strafmildernd ansehen könnten, ließ sie ihre Rechtsanwältin Eva Plaz am Donnerstag eine Erklärung abgeben. Kein Mensch kenne Josef Fritzl so gut wie Elisabeth, sagte Plaz. "Er verharmlost und hofft, dass ihm geglaubt wird."

Eine Gerichtsgutachterin hatte Fritzl volle Zurechnungs- und Schuldfähigkeit für den gesamten Tatzeitraum bescheinigt. Sie empfahl dem aus acht Schöffen und drei Berufsrichtern bestehenden Schwurgericht, Fritzl wegen seiner gestörten und gewalttätigen Persönlichkeit in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen. Die für Fritzls Tochter Elisabeth auftretende Opferanwältin, Eva Plaz, forderte die Höchststrafe wegen Mordes für den Inzesttäter. "Der Angeklagte hat sich zum Herrn über Leben und Tod gemacht. Dafür muss er bestraft werden."

Wenige Stunden nach dem Abschluss der auf Video aufgezeichneten Vernehmung, in deren Verlauf seine Tochter ihn schwer belastet hatte, gab Fritzl am Mittwochmorgen im Gericht seinen Widerstand auf und bekannte sich in allen Anklagepunkten für schuldig. Bis dahin hatte er Mord und den Vorwurf der Sklaverei von sich gewiesen. Berichte, wonach seine Tochter, die inzwischen ihre Identität geändert hat, sich am Dienstag im Schwurgerichtssaal von St. Pölten aufgehalten haben soll, wurden von der Gerichtsleitung und von Fritzls Verteidiger nicht dementiert.