Moderator Ulrich Wickert bekommt Nachwuchs mit 69 Jahren und löst damit eine Diskussion aus. Späte Väter liegen allgemein im Trend.

Hamburg. Eine Top-Nachricht für die "Tagesthemen"? Nein. Aber ein Thema, das viele berührt: Ulrich Wickert, von 1991 bis 2006 "erster Moderator" der ARD-Nachrichtensendung, wird im Mai Vater - mit 69 Jahren. Seine Frau, die Hamburger Verlagsmanagerin Julia Jäkel, ist im November 40 geworden. Das gestern von der "Bild"-Zeitung angekündigte Ereignis sorgte im Internet sofort für heftige Diskussionen. Die Bandbreite: von "Das arme Kind, das leider nicht befragt werden kann, ob es zur Einschulung ins Gymnasium von einem 80-Jährigen begleitet werden möchte" bis "Das ist doch einzig deren Sache".

Das prominente Paar mit dem Vater (in spe) im Rentenalter ist kein Einzelfall. US-Filmlegende Anthony Quinn wurde mit 79 und 81 jeweils noch mal Vater - und starb, als sein jüngstes Kind fünf Jahre war. Schlagerstar Julio Iglesias erlebte mit 63 Vaterfreuden (Sohn Guillermo), und der in Hamburg lebende Schauspieler Sky du Mont, 64, dessen vierte Frau Mirja 29 Jahre jünger ist, hat mit ihr zwei Kinder (Tara, 10, und Fayn, 5), aber bewusst auf weitere verzichtet, weil er miterleben will, wie sie aufwachsen, "und sie nicht als Greis vom Kindergarten abholen will", wie er der "Bunten" sagte.

Späte Väter liegen allgemein im Trend. Jedes 20. Neugeborene in Deutschland hat einen Papa, der älter als 50 ist. In Amerika sogar jedes zehnte. Tendenz: moderat steigend. Ebenso wie das Durchschnittsalter all jener Mütter, die ihr erstes Kind nach dem 35. Geburtstag zur Welt bringen.

Der Einwand "Das ist doch unnatürlich" lässt sich mit der Natur nicht begründen. Zwar sinkt beim Mann mit zunehmendem Alter (schon ab 35) stetig die Fruchtbarkeit und steigt das Risiko von Erbkrankheiten bei den Kindern - doch generell bleibt seine Zeugungsfähigkeit bis ins Greisenalter erhalten.

Was hat sich die Evolution nur dabei gedacht? Die Antwort dürfte für das Selbstbewusstsein der Männer eher ernüchternd sein. Denn in der frühesten Menschheitsgeschichte war der Mann mehr anonymer Samenspender als verantwortlicher Vater und Ernährer. Noch in steinzeitlichen Gesellschaften hat es vermutlich wegen fehlender Kenntnisse über Zeugung und Geburt keine direkte Zuordnung der Väter zu ihren Kindern gegeben, vermuten Wissenschaftler wie der Hamburger Hormonspezialist Christoph Bamberger. Für den Schutz der Gruppe war nicht so sehr der einzelne Mann wichtig, vielmehr standen dafür alle Männer der Sippe bereit. Anders die Rolle der Frau, die "ihre" Kinder kannte.

Ihre biologische Uhr sorgte dafür, dass sie keine Kinder mehr gebären konnte, wenn die Kräfte für die Aufzucht und Versorgung der Nachkommen nachließen.

Heute könnte die Natur großzügiger sein. Denn späte Eltern wissen zu schätzen: Sie haben meist keine Geld- oder Wohnungssorgen, erleben den Nachwuchs bewusster und intensiver als Jahre zuvor, zerrieben in den vielfältigen Pflichten einer Karrieremühle.

Deshalb sieht Bamberger die steigende Zahl der Väter im fortgeschrittenen Alter "eher positiv". Von Kindern, die unter dem hohen Alter ihrer Väter leiden, ist generell wenig bekannt. Der Münchner Psychologie-Professor Hartmut Kasten rät allerdings von Vaterschaften jenseits des 70. Lebensjahrs ab. Die Kinder seien dann verstärkt dem "sozialen Terror und Druck" ihrer Altersgenossen ausgesetzt, die nicht verstünden, dass der Vater auch der Opa sein könnte.

Ist ein Mann mit 70 also doch zu alt fürs Kind? Ulrich Wickert findet online jedenfalls Unterstützung. "Er kann dem Kind in ein paar Jahren mehr Werte vermitteln als die meisten Eltern", meint ein Internetnutzer und mahnt alle Bedenkenträger: "Kehren Sie vor der eigenen Türe und schämen Sie sich!"