Zum Prozessauftakt hüllen sich die vier mutmaßlichen jugendlichen Schläger in Schweigen. Im Februar hatten sie einen 30-jährigen Handwerker niedergeprügelt und lebensgefährlich verletzt. Sie müssen sich nun wegen versuchten Mordes aus Habgier verantworten.

Berlin. Es war ein brutaler Angriff, der bundesweit für Entsetzen sorgte: Neun Monate nach dem schockierenden Überfall im Berliner U-Bahnhof Lichtenberg beginnt der Prozess gegen die vier mutmaßlichen Schläger. Die Schüler im Alter von 15 bis 18 Jahren müssen sich vor dem Landgericht wegen versuchten Mordes aus Habgier verantworten und haben sich zunächst in Schweigen gehüllt. Ein Handwerker wurde lebensgefährlich verletzt. Laut Anklage soll das Motiv Hass auf Deutsche und Freude an der Misshandlung Schwächerer gewesen sein. Der Prozess vor einer Jugendstrafkammer ist nicht öffentlich, da alle Angeklagten zur Tatzeit jünger als 18 Jahre alt waren. Drei von ihnen sitzen derzeit in Untersuchungshaft.

Das Quartett soll am 11. Februar kurz vor Mitternacht im U-Bahnhof Berlin-Lichtenberg zwei 30-jährige Maler angegriffen haben, um sie "abzuziehen“. Die Jugendlichen mit ausländischen Wurzeln sollen die Männer zunächst mit "Scheiß Nazis“ angepöbelt haben. Einer der Handwerker wurde niedergeschlagen und mit Fußtritten attackiert. Ein 18 Jahre alter Angeklagter soll auf seinen Oberkörper gesprungen sein, als er schon am Boden lag. Das verletzte Opfer habe noch versucht zu fliehen, wurde aber mit Tritten und Schlägen so lange gequält, bis es reglos auf dem U-Bahnsteig liegen blieb. Die Schläger stahlen sein Portemonnaie mit drei Euro und sein Handy.

Der Maler wurde schwer am Kopf verletzt. Notärzte retteten den Berliner. Nach Wochen im künstlichen Koma kämpfte sich der Mann mühsam ins Leben zurück. Auch der zweite Maler wurde verletzt. Er konnte zunächst in Todesangst aus dem Bahnhof fliehen, wurde aber aufgespürt und attackiert. Ein Passant zeigte Zivilcourage. Der Helfer trieb die Schläger zunächst in die Flucht.

+++ Wieder Gewaltexzess auf Berliner Bahnhof +++

+++ Bahnhof-Schläger brechen 22-Jährigen Gesichtsknochen +++

Die Prügel-Attacke hatte eine bundesweite Debatte über den Umgang mit jugendlichen Gewalttätern ausgelöst. Doch immer wieder kommt es in Berlin zu Übergriffen . Zu dem bisher schlimmsten Fall kam es am 17. September: Ein 23-Jähriger floh in Panik vor Schlägern aus dem U-Bahnhof Kaiserdamm auf die Straße, wurde von einem Auto erfasst und starb. Ein mutmaßlicher Schläger im Alter von 21 Jahren sitzt in U-Haft.

Bei jungen Gewalttätern fehlt nach Ansicht des Psychiaters und Gerichtsgutachters Karl Kreutzberg oft "jegliche Hemmung“. Es könne jeden treffen, sagte der Chefarzt der Berliner Klinik des Maßregelvollzugs. Gewalt sei eine "soziale Aufstiegsmöglichkeit für die, die sonst keine Chance haben. Wer nicht zu den Gewinnern gehört, baut sich auf, indem er andere abbaut.“ Ziel sei, über Aggressivität nach oben zu kommen.

Jugendliche Gewalt in Bahnhöfen

November 2011: Zwei Unbekannte schlagen eine 23 Jahre alte Frau auf dem U-Bahnhof Hermannplatz in Berlin-Neukölln zusammen und verletzen sie schwer. Sie stehlen ihr Handy und flüchten.

April 2011 : Im Berliner U-Bahnhof Friedrichstraße tritt ein 18-Jähriger auf den Kopf eines 29-Jährigen ein. Er stellt sich kurz nach der Tat, ebenso sein gleichaltriger Begleiter. Im September wird der Haupttäter zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt, die Verteidigung legt Revision ein.

Februar 2011: Im Berliner U-Bahnhof Hansaplatz schlagen fünf bis sechs Jugendliche und Männer einen Obdachlosen krankenhausreif. Sie rauben ihm Zigaretten, Weinflaschen und einen Schlafsack. Die Täter können flüchten.

Mai 2010: Eine Gruppe Jugendlicher gerät im Hamburger S-Bahnhof Jungfernstieg mit einem 19-Jährigen in Streit. Ein 16-Jähriger tötet den jungen Mann mit einem Stich ins Herz. Im Dezember wird er wegen Totschlags zu sechs Jahren Haft verurteilt. Zwei Mitangeklagte werden wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Woche Jugendarrest beziehungsweise einer Arbeitsauflage verurteilt. Das Gericht bewertet die Tat als „vollkommen grundlos“.

Februar 2010: Vier angetrunkene 16-Jährige prügeln auf dem Hauptbahnhof im westfälischen Hagen einen 33 Jahre alten Mann krankenhausreif. Sie treten und schlagen noch auf ihr Opfer ein, als der Mann schon am Boden liegt. Die Jugendlichen sagen später, sie hatten sich „angemacht“ gefühlt, weil der 33-Jährige sie auf die Gefahren ihrer Bahnsteig-Rangeleien aufmerksam gemacht hatte. (dpa)