Erst hieß es, das Geld fließe direkt in die Staatskasse, weil der Mann noch Prozesskosten erstatten muss. Das scheint jetzt aber ungewiss.

Frankfurt/München. Der Kindsmörder Magnus Gäfgen darf seine Entschädigung für die Folterandrohung der Polizei nach Ansicht eines namhaften Juristen „eindeutig“ behalten. Der Düsseldorfer Strafverteidiger und Grimme-Preisträger Udo Vetter äußerte Zweifel, ob die rund 3000 Euro des verschuldeten Gäfgen in die Staatskasse fließen dürfen. Unterdessen berichtete der „Focus“, dass der Polizist, der Gäfgen damals verhört und ihm Folter angedroht hat, sein Buch darüber im Herbst veröffentlichen wird. Das Frankfurter Polizeipräsidium hatte das Buch vor einem Jahr zunächst mit dem Hinweis auf Geheimnisverrat gestoppt.

„Grundsätzlich ist es zulässig, dass der Staat eigene Forderungen mit Ansprüchen eines Verurteilten aufrechnet“, schreibt Jurist Vetter im Internet in seinem „law blog“, für den er den Grimme-Online-Award erhalten hat. Entschädigungen für die Verletzung der Grund- und insbesondere der Menschenrechte dürfe der Staat hingegen nicht aufrechnen. „Die Sache ist eindeutig“, betonte Vetter am Sonntag auf Anfrage.

Nach Angaben der Frankfurter Staatsanwaltschaft hat Gäfgen aus dem Mordprozess noch 71 000 Euro Schulden bei der Justizkasse. Die müssten erst beglichen werden, hatte Oberstaatsanwältin Doris Möller-Scheu nach dem Prozess gesagt. Sie wollte Vetters Angaben am Sonntag auf Nachfrage von hr-online nicht kommentieren. „Wir prüfen, inwieweit es möglich ist, dass wir auf diese Entschädigung wegen der Justizschulden zurückkommen können“, sagte sie dem Hessischen Rundfunk (hr).

Das Landgericht hatte dem Entführer und Mörder des Frankfurter Bankierssohns Jakob von Metzler am vergangenen Donnerstag eine Entschädigung zugesprochen, weil ihm 2002 in einem Polizeiverhör mit Folter gedroht worden war. Die Polizei hatte gehofft, so den entführten Jungen zu finden.

Vetter beruft sich auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Einem Häftling, der wegen menschenunwürdiger Unterbringung geklagt hatte, war darin ebenfalls eine Entschädigung zugesprochen worden. Auch diesen Betrag hatte die Justiz mit den Kosten für das Verfahren verrechnen wollen. Der BGH hatte dies abgelehnt, weil die Funktion der Genugtuung, der Sanktion und der Prävention dann ins Leere laufe.

Unter dem Titel „Um Leben und Tod“ solle das Buch des Vernehmungsbeamten nun erscheinen, berichtet das Magazin „Focus“ in seiner neuen Ausgabe. Der Beamte habe nach eigenen Angaben nichts gestrichen, das Material sei aktualisiert worden. Der Polizist hatte Gäfgen im Auftrag seines Vorgesetzten mit großen Schmerzen gedroht, um das Versteck des damals seit vier Tagen entführten Jungen zu erfahren und dessen Leben zu retten.

Nach der Drohung führte Gäfgen die Polizisten zu der Leiche des Jungen. Er hatte ihn schon am Tag der Entführung getötet. Der Beamte und sein Vorgesetzter, der frühere Frankfurter Polizei-Vizepräsident Wolfgang Daschner, wurden wegen Nötigung verurteilt. Sie zahlten aber keine Geldstrafen und ihre Polizeikarrieren gingen weiter.

Das Buch hatte bereits im vergangenen Oktober im Heyne Verlag veröffentlicht werden sollen. Frankfurts Polizeipräsident Achim Thiel hatte aber keine Freigabe erteilt. Außerdem hatte der Münchner Verlag zunächst die juristische Klärung der Foltervorwürfe abwarten wollen. Für die Entschädigung, die Gäfgen am Donnerstag zugesprochen worden war, zeigt der Polizist laut „Focus“ kein Verständnis. Überrascht habe es ihn aber nicht mehr, zitiert ihn das Magazin.. (dpa/abendblatt.de)