Ein Kindermörder bekommt Entschädigung - zu Recht

Rechtsstaatlichkeit ist manchmal schwer zu ertragen. Das Leid, wenn Menschen aus Habgier ermordet, wenn Kinder missbraucht und für ihr ganzes Leben gezeichnet werden, ist so groß, dass die Wut ins Unermessliche steigen kann. Dann sind es die Gefühle, die die Oberhand gewinnen - nicht der Verstand. Dann soll gestraft und gerächt werden. Und der Unterschied zwischen dem Kindermörder und dem Dieb besteht nicht mehr nur in der Tat, sondern auch in den Rechten, die ihnen zugestanden werden. Solch ein Denken ist nachvollziehbar. Richtig ist es nicht.

Magnus Gäfgen hat 2002 einen elfjährigen Jungen entführt und ermordet. Nach seiner Verhaftung bei der Geldübergabe ging die Polizei davon aus, dass der Junge noch lebt, und versuchte im Verhör verzweifelt, seinen Aufenthaltsort herauszubekommen. Weil Gäfgen schwieg, drohte ihm ein Beamter Folter an. Wegen dieses Umstands klagte der Mörder auf Entschädigung - und gewann. Viele sprechen jetzt von einem Skandalurteil. Doch sie liegen falsch.

Fragen nach Recht und Gerechtigkeit haben Generationen von Philosophen beschäftigt und werden es weiter tun. Fragen nach der Rechtsstaatlichkeit sind ungleich leichter zu beantworten. Ein elementarer Bestandteil ist die Gleichheit aller vor dem Gesetz. Es hat unsere Sympathie, wenn eine Putzfrau vor Gericht gegen einen Milliardär gewinnen kann, auch wenn er noch so teure Anwälte hat.

Wie würden wir reagieren, wenn ein Polizist einem Dieb Folter androht, um zu erfahren, wo die Beute ist? Wir würden aufschreien vor Empörung. Der Einwand, dass es bei Gäfgen um das Leben eines Kindes ging, darf nicht gelten. Errungenschaften wie die Abschaffung der Folter sind unteilbar. Wer eine Ausnahme formuliert, wird bald Hunderte haben.

Deswegen ist es richtig, dass der Kindermörder Gäfgen 3000 Euro Entschädigung erhält. So schmerzlich zu ertragen es auch sein mag.