Der Freiheitsdrang der entlaufenen Yvonne sorgt weiter für Aufgregung. Immer wieder entkommt sie ihren Verfolgern und tappt in keine Falle.

Mühldorf. Von wegen "dumme Kuh". Die schlaue Yvonne aus Österreich sorgt weiterhin für Furore und genießt nach wie vor ein Leben in Freiheit. Mit eben diesem Freiheitsdrang weckt die entlaufene Kuh viele Sympathien und wird so zum Medienstar des Sommerlochs. Sie ist ihren Verfolgern immer einen Schritt voraus und tappt in keine Falle. Im oberbayerischen Landkreis Zangberg hat sie sich ein Versteck im Wald gesucht. Nun droht ihr indes dasselbe Schicksal wie einst dem Problembären Bruno: Sie soll abgeschossen werden.

Tierretter des Gnadenhofs Aiderbichl versuchen fieberhaft, das Rind zu fangen. "Wir lassen auf keinen Fall zu, dass es endet wir bei Bruno“, sagt der Salzburger Gutsverwalter von Aiderbichl, Hans Wintersteller. Er will Yvonne auf dem Gut in Deggendorf unterbringen.

Zwar reißt Yvonne keine Schafe wie es Bruno tat, sie klaut den Imkern keinen Honig und bleibt anders als der bedrohliche Bär allen Ortschaften fern. Dafür aber bringt sie den Straßenverkehr in Gefahr. Läuft sie vor ein Auto, ist ein schlimmer Unfall möglich. Als sie vor gut einer Woche ausgerechnet vor einen Polizeiwagen rannte, gab das Landratsamt Mühldorf sie zum Abschuss frei. "Ein Reh hat 30 oder 40 Kilo, die Kuh hat 700 Kilogramm“, sagt Erich Kozel, Fachbereichsleiter öffentliche Sicherheit und Ordnung. "Deshalb können wir nicht zuschauen, bis sie auf die Straße läuft.“

Seit die frühere Milchkuh am 24. Mai einem Bauern aus Aschau am Inn entkam, der sie mästen und schlachten lassen wollte, sind ihre Wildinstinkte wiedergekehrt. Sie hat sich ein Lager im Unterholz gesucht, ruht – anders als ihre Artgenossinnen – tagsüber und kommt nachts zum Grasen heraus. Als "Kuh, die ein Reh sein will“, schaffte sie es vor Wochen erstmals in die Zeitungen.

"Sie hat sich sehr schnell angepasst“, sagt Prof. Klaus Reiter, Verhaltensforscher für Nutztiere von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. "Normalerweise suchen Kühe als Herdentiere die Artgenossen und können mit einfachen Mitteln – zum Beispiel einem klappenden Futtereimer – wieder auf die Weide gelockt werden.“ Dass sich die Kuh so schwer fangen lasse, sei ungewöhnlich. Um den Grund zu klären, müsse man Genaueres über ihre Herkunft wissen. Sei sie etwa auf einer weitläufigen Weide mit Wald und wenig Kontakt zu Menschen aufgewachsen, finde sie schneller zurück zu den Instinkten.

Wilde – oder verwilderte – Tiere passen schlecht in die zivilisierte Welt. Wegen des moosgrünen Kaimans Sammy wurde im Sommer 1994 ein Baggersee bei Dormagen in Nordrhein-Westfalen für die Badegäste gesperrt. Und die Geierschildkröte Eugen löste 2002 als "Ungeheuer von Dornach“ bei München ein Badeverbot aus.

Während der damals rund 80 Zentimeter lange Brillenkaiman mit den bernsteingoldenen Augen bei einem Badeausflug mit seinem Besitzer entschwamm, war Eugen wohl ausgesetzt worden und hatte vermutlich schon jahrelang unbemerkt in seinem Weiher gelebt. Experten nannten es damals ein Wunder, dass kein Unglück passiert war. Denn wenn ein Kind der Schildkröte beim Baden zu nahe gekommen wäre, hätte das 70 Zentimeter große Tier ihm leicht Gliedmaßen abbeißen können.

Immer wieder gestaltet sich das Einfangen der Tiere schwierig. Wegen Sammy – der "Bestie vom Baggersee“ – ging ein Polizist nachts auf die Pirsch. Ein Schleppnetz wurde ausgelegt, Brunftrufe wurden imitiert. Für Bruno flogen extra Bärenjäger aus Finnland samt Hunden ein; Experten der Umweltstiftung WWF versuchten, Bruno mit einer riesigen Aluminiumröhre zu fangen. Die Idee, dem jungen Bären mit einer attraktiven Bärin den Kopf zu verdrehen und ihn so in die Falle locken, ließ man fallen – Bruno war dafür noch zu jung.

Bei Yvonne wurde nun ihre Schwester Waltraud herbeigeschafft, und Kälbchen Waldi sollte Mutterinstinkte wecken. Yvonne ließ sich tatsächlich locken. Aber sie besuchte die Schwester und den Kleinen nur im Schutz Nacht – und entkam erneut.

"Die ist blitzgescheit. Die hätte dreimal die Matura gemacht“, sagt Wintersteller. "Man darf nicht mehr sagen: ,dumme Kuh'“, findet auch der Zangdorfer Bürgermeister Franz Märkl (CSU/Freie Wähler), und er fügt an: "Wir haben die Kuh sehr gut trainiert für das Sommerloch. Das ist für uns eine kostenlose Reklame.“ (dpa)