Staatsanwaltschaft Duisburg führt wegen des Todes von 21 Menschen Ermittlungen gegen 16 Beschuldigte. OB Sauerland entschuldigt sich.

Duisburg. Es begann als ausgelassene Feier und endete in einer Katastrophe: Bei einer Massenpanik auf dem Weg zur Loveparade in Duisburg am 24. Juli 2010 starben 21 Menschen. 500 Besucher wurden in einer Unterführung, dem einzigen Aus- und Zugang, verletzt, als es dort zum Gedränge kam. Jetzt bestätigte ein Gutachten: Die Genehmigung für die Riesenparty war rechtswidrig. Das hat die Staatsanwaltschaft Duisburg bestätigt. Sie ermittelt gegen 16 Beschuldigte.

Laut Gutachten haben Stadt, Polizei und Feuerwehr bei den Vorabbesprechungen offenbar zu sehr auf die große Erfahrung des Loveparade-Veranstalters Lopavent vertraut. Der hatte die Kapazität der sogenannten Zu- und Abwege als ausreichend bezeichnet. Unklar ist laut Staatsanwaltschaft, ob es womöglich Druck auf die Genehmigungsbehörden gab. Im Jahr zuvor hatte die Stadt Bochum "ihre" Loveparade aus Sicherheitsbedenken abgeblasen, nachdem die Technoparty zuvor in Essen und Dortmund erfolgreich über die Bühne gegangen war. Eine erneute Absage wäre für die ganze Region extrem peinlich gewesen, zumal das Ruhrgebiet 2010 sein Kulturhauptstadtjahr feierte.

Duisburgs Polizeipräsident wurde damals wegen seiner Kritik angefeindet

Bedenken einzelner Beamter seien in dieser Situation übergangen worden, heißt es im Gutachten. Ein Beamter lehnte in einem schriftlichen Vermerk die Verantwortung wegen gravierender Probleme ausdrücklich ab. Auch der damalige Duisburger Polizeipräsident Rolf Cebin protestierte seinerzeit. Der CDU-Abgeordnete Thomas Mahlberg beschwerte sich daraufhin: "Der neuerliche Eklat veranlasst mich zu der Bitte, Duisburg von der schweren Bürde zu befreien und den personellen Neuanfang im Polizeipräsidium Duisburg zu wagen." Die Stadt bestreitet inzwischen, Cebin wegen seiner Warnung in den Ruhestand geschickt zu haben.

Die Ermittler gingen unter anderem der Frage nach, ob das Festgelände mit nur einem Zugang über einen Tunnel von vorneherein völlig ungeeignet war. Untersucht wurde auch, ob es Versäumnisse der Stadt bei den Kontrollen des Genehmigungsverfahrens gab. Und vor allem die Schuldfrage wurde untersucht. Davon hängt ab, ob die Stadt, die Polizei oder der Veranstalter haften müssen. Das Innenministerium wirft dem Veranstalter vor, zu wenig Ordner eingesetzt zu haben. Der Veranstalter beschuldigt die Polizei, mit Absperrketten am falschen Ort zur Katastrophe beigetragen zu haben. Die Stadt verweist auf ein von ihr selbst in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten, nach dem die Genehmigung der Technoparty rechtens war. Darauf verwies Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) gestern noch einmal ausdrücklich.

Die Staatsanwaltschaft vernahm mehr als 3000 Zeugen. Ferner wurden Fotos, Handyvideos, Filme von Überwachungskameras und jede Menge Akten ausgewertet. Inzwischen werden 16 Personen wegen fahrlässiger Körperverletzung und fahrlässiger Tötung beschuldigt, unter ihnen elf Mitarbeiter der Stadt und vier des Loveparade-Veranstalters. Dass es bei der Loveparade Tote und Verletzte gab, ist laut Staatsanwaltschaft auch auf das pflichtwidrige Verhalten des Leitenden Polizeidirektors zurückzuführen. Er war ab dem Mittag für den Einsatz verantwortlich. Sollten die Beschuldigten verurteilt werden, drohen ihnen mehrjährige Haftstrafen. Doch zunächst muss die Staatsanwaltschaft Anklage erheben und das Gericht die Anklage zur Hauptverhandlung annehmen. Die Beweisführung dürfte bei einer Verhandlung angesichts der verworrenen Faktenlage nicht einfach werden.

Oberbürgermeister Sauerland hat gestern erstmals offiziell die moralische Verantwortung für die Tragödie übernommen - nach knapp einem Jahr. Es sei ihm ein persönliches Bedürfnis, sich bei den Betroffenen und Hinterbliebenen der Todesopfer zu entschuldigen, sagte er vor einer Ratssitzung seiner Stadt. "Die Wunden sind längst nicht geheilt." Anschließend bat er um eine Gedenkminute. In einem früheren Gespräch hatte der Oberbürgermeister seine Zurückhaltung nach der Tragödie damit begründet, eine Entschuldigung könne für ihn persönlich Folgen haben. Inzwischen gibt es 10 000 Unterschriften für ein Abwahlverfahren. Zugleich stellte sich Sauerland in der Sitzung hinter seine Mitarbeiter.

Und die Opfer? Sie haben aus einem Notfallfonds des Landes bis zu 20 000 Euro (für Hinterbliebene und länger stationär Behandelte) bekommen. Außerdem haben knapp 300 Menschen Schadenersatzansprüche angemeldet. Die Versicherung des Veranstalters, der Axa-Konzern, hat bereits zehn Millionen Euro zurückgestellt.