Designer John Galliano in Erklärungsnot: Auf die Klage wegen rassistischer Pöbelei folgten weitere Vorwürfe in den Medien. Seine Zukunft bei Dior ist offen.

Paris. Die Models stehen bereit, die Kollektionen sind fertig - doch Diors Kreativdirektor kämpft wenige Tage vor den Pariser Prêt-á-Porter-Schauen nicht mit Nadel und Faden, sondern Paragrafen. Eine gegen den mittlerweile suspendierten John Galliano eingereichte Klage scheint Fluttore geöffnet zu haben. Wenige Stunden vor einer Gegenüberstellung mit dem Paar, das ihn wegen Beleidigung angezeigt hat, wurde einem Medienbericht zufolge die nächste Klage eingereicht. Eine 48-Jährige hatte demnach vor einigen Monaten ein ähnliches Erlebnis mit dem angetrunkenen Galliano, meldete sich aber erst jetzt. Der Tatort war beide Male Gallianos Stammlokal im angesagten Szeneviertel Marais.

Das britische Skandalblatt „The Sun“ setzte noch eins drauf: Es stöberte ein Video auf, das einen offensichtlich betrunkenen, Galliano ähnelnden Mann beim Pöbeln in einem Bistro zeigt. Lallend erklärt er einer Tischnachbarin: „I love Hitler“. Leute wie sie würden heute gar nicht existieren, weil ihre Vorfahren vergast worden wären. Unklar blieb allerdings, ob es sich bei dem Mann mit einem modischen Schiffchen auf dem Kopf wirklich um Galliano handelte. Dennoch lief das Video über französische TV-Bildschirme.

Das Enfant Terrible der französischen Modeszene kommt damit zunehmend in Erklärungsnot; es wird immer unwahrscheinlicher, dass Galliano am Freitag bei der Dior-Modenschau erscheint. „Kein Kommentar“, hieß es auch am Montag auf entsprechende Fragen beim Hause Dior, dem Galliano noch bis zum Jahresende vertraglich verpflichtet ist. Das renommierte Modehaus versucht einen schweren Imageschaden abzuwenden und hat seinen als narzisstisch und schwierig verschrienen Kreativdirektor bis zur Aufklärung der Vorwürfe suspendiert.

Nach Informationen der französischen Zeitung „Journal du Dimanche“ wurden dem Hause verbundene Hollywood-Stars wie Sharon Stone vor der Oscar-Verleihung vorsorglich per Mail gebeten, keine öffentlichen Stellungnahmen zum Fall abzugeben. Immerhin lebt Luxusmode vom guten Ruf - vor kurzem hatte das ein Präzedenzfall der Branche deutlich vor Augen geführt. Als der Edel-Parfümier Jean-Paul Guerlain im Oktober in einem TV-Interview erklärte, er habe gerackert „wie ein Neger“ - wobei er nicht wisse, ob die jemals so geschuftet hätten - hagelte es von allen Seiten Boykottaufrufe. Die Branche steht bis heute unter dem Schock der empörten Reaktionen.

Für Galliano steht nicht nur seine glänzende Karriere als Kreativdirektor im Hause Dior auf dem Spiel. Der exzentrische Modemacher mit dem unkonventionellen Auftreten ist auch über sein eigenes Label vom Wohlwollen seiner Auftraggeber abhängig. Denn die Marke John Galliano wird zu 91 Prozent von Dior kontrolliert.

Am Montagnachmittag wollte er sich daher bei einer Gegenüberstellung auf einer Polizeiwache im Bezirk seines Stammlokals von allen Vorwürfen befreien. Dazu wollte er auch Zeugen antreten lassen, die seine Version bestätigen. Denn Galliano bestreitet die Vorwürfe und hat sogar Gegenklage gegen das Paar eingereicht, mit demer am Donnerstagabend im Szeneviertel Marais aneinandergeraten war.

Unbestritten ist, dass er unter Alkoholeinfluss gestanden hat - so wie im Oktober, wie die neue Klägerin behauptet. Sie habe seine schweren judenfeindlichen Entgleisungen im Marais - dem historischen jüdischen Viertel der Stadt - damals noch mit seiner Trunkenheit entschuldigt, schrieb am Montag der französische „Le Parisien“. Die nun bekanntgewordene Klage habe sie dann aber zum Umdenken bewogen.