Großrazzia gegen die Hells Angels: Offenbar haben die Rocker Informanten bei der Polizei. Beamte sollen auch mit Drogen gehandelt haben.

Wiesbaden. Es war fast noch Nacht, als Polizei und Staatsanwaltschaft die Wohnungen und Büros ihrer eigenen Kollegen durchkämmten. Eine Großrazzia gegen die Hells Angels brachte am Freitagmorgen die Gewissheit, dass die Rockergruppe Informanten bei der hessischen Polizei hat. Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) sagte: „Die Sachverhalte sind klar und ziemlich eindeutig.“ Fünf Beamte sind suspendiert, weil sie entweder mit Informationen oder Drogen gehandelt haben sollen.

Der Einfluss der Rocker reicht dabei offenbar bis weit nach oben. Ein hochrangiger, 50 Jahre alter LKA-Beamter soll für rund 10.000 Euro Polizeiinterna verkauft haben. Auch ein Frankfurter Beamtenpaar, 33 und 36 Jahre alt, steht unter Verdacht. Eine 34 Jahre alte Kollegin war bereits am Donnerstag festgenommen worden. Laut Staatsanwaltschaft Darmstadt hat sie schon zugegeben, dem fünften Suspendierten, einem 51-Jährigen, Drogen verkauft zu haben. Informantin soll sie nicht gewesen sein.

Für die ohnehin gebeutelte hessische Polizei kommt die Enttarnung zur Unzeit. Über Wochen machten ihr Vorwürfe über autoritäre Strukturen, Mobbing, schwarze Personalakten und Ärger um psychologische Gutachten zu schaffen. Nun soll mancher Beamter auch noch gemeinsame Sache mit der organisierten Kriminalität machen? „Solche Dinge führen immer dazu, dass das Vertrauen in die Polizei erschüttert wird“, sagt Rhein. „Das haben wir so noch nicht erlebt.“ Es müsse jetzt noch mehr Prävention geleistet werden, um so etwas künftig zu verhindern. Doch der Minister weiß auch: „Das wird niemals auszuschließen sein.“

Die Grünen forderten, Rhein müsse das „Beziehungsgeflecht zwischen Hells Angels und Beamtinnen und Beamten der hessischen Polizei lückenlos“ aufklären. Die SPD will ein Frühwarnsystem für mögliche Bestechungsfälle. Die Linke kündigte an, in der nächsten Innenausschusssitzung vom Minister wissen zu wollen, ob er Konsequenzen aus den Suspendierungen ziehe.

Hinweise hatten Polizei und Staatsanwaltschaft schon vor Monaten bekommen, dass die Hells Angels im Rhein-Main-Gebiet gezielt versuchten, Kontakte zu Beamten herzustellen. Eine Großrazzia Ende November sei der erste Schlag in diesem Zusammenhang gewesen, sagte Rhein. Nun legten die Behörden nach. Seit ein Hells Angel im März bei einer Durchsuchung einen Polizisten erschossen hatte, rücken die Beamten nur noch im großen Verbund aus. Insgesamt durchsuchten mehr als 1000 Beamte am Freitag 27 Wohnungen und Büros.

Dabei ging es nicht nur um die Enttarnung der Maulwürfe. In Frankfurt wurde unter anderem die Wohnung des dortigen Hells-Angels- Chefs durchsucht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, weil im Oktober 2009 ein Hells-Angels-Mitglied in Usingen im Taunus auf offener Straße angeschossen worden war – wahrscheinlich von einem anderen Mitglied und aus einem fahrenden Auto heraus. Es geht auch um Drogenhandel. In einer Wohnung stellten die Beamten Betäubungsmittel und 42.000 Euro Bargeld sicher. Auch gegen einen Wiesbadener Gastwirt wird wegen Waffenhandels ermittelt.

„Wir wollen die Strukturen kennenlernen“, sagt Rhein. Dazu seien die beiden Großrazzien ein wichtiger Schritt gewesen. Auch ein Versuch, die Hells Angels verbieten zu lassen, ist offenbar noch nicht vom Tisch. Zuerst wolle der Minister aber die weiteren Ermittlungen abwarten. Das Auffliegen der Informanten zeige indes, dass man sensibilisiert und alarmiert sei. Die Weitergabe von Informationen kann mit einer Geldstrafe oder bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. Rhein betonte: „Da wird es keine Rücksicht geben.“