In der Hauptstadt Port-au-Prince demonstrierten Bewohner gegen Uno-Soldaten. Die Haitianer geben den Blauhelmen die Schuld an der Cholera.

Port-au-Prince/Berlin. Angst und Gewalt: Die gewalttätigen Proteste gegen die Vereinten Nationen angesichts der Cholera in Haiti haben am Donnerstag auch auf die Hauptstadt Port-au-Prince übergegriffen. Am Präsidentenpalast warfen Demonstranten nach Augenzeugenberichten mit Steinen auf Uno-Soldaten. Die Polizei ging mit Tränengas gegen die Menge vor, die sich in dem Gebiet rund um den Palast immer wieder neu formierte. Die Proteste hatten am Montag im Norden des von einer Cholera-Epidemie heimgesuchten Landes begonnen . Bislang starben etwa 1100 Menschen an der hochansteckenden Krankheit.

Den Uno-Blauhelmsoldaten wird vorgeworfen, die Cholera aus Nepal eingeschleppt zu haben. Das wurde von der Uno-Mission Minustah, die seit 2004 in Haiti stationiert ist, stets zurückgewiesen. Bei Untersuchungen rund um den nepalesischen Stützpunkt bei Hinche am Artibonite-Fluss sei kein Erreger gefunden worden. „Jede Sekunde die vergeht, kann Tausende von Menschenleben retten oder zerstören“, schrieb Mulet in einem dramatischen Appell, den die Minustah am Freitagmorgen in Port-au-Prince veröffentlichte. Wenn die Situation anhalte, werde die Lage für mehr und mehr Patienten aussichtslos und verzweifelt. „Ihr Leben gerät in Gefahr“, warnte der höchste Uno-Repräsentant in Haiti. Er forderte die haitianischen Demonstranten vor allem in der Stadt Cap Haïtien im Norden auf, die Blockaden zu beseitigen und den Transport der Helfer nicht zu behindern.

Nach Cap Haïtien und Hinche war Port-au-Prince am Donnerstag die dritte Stadt, in der gewaltbereite Demonstranten die Uno-Blauhelme angriffen. Sie plünderten auch ein Versorgungslager. Vor dem Präsidentenpalast warfen Demonstranten nach Augenzeugenberichten mit Steinen auf Uno-Soldaten. Sie riefen Parolen wie „Cholera: Die Minustah hat sie uns gebracht“. Die haitianische Polizei ging mit Tränengas gegen die Menge vorwiegend junger Männer vor, die sich in dem Gebiet rund um den Palast immer wieder neu formierte. Wie schon an den Tagen zuvor in Cap Haïtien im Norden und in Hinche forderten die Demonstranten den Abzug der Blauhelme. Insgesamt sind bei den bei Zusammenstößen seit Montag drei Menschen ums Leben gekommen.

Auch das Kinderhilfswerk Unicef äußerte sich tief besorgt über die Gewalt und Unsicherheit in Haiti. „Die Sterblichkeit bei Cholera liegt bei rechtzeitiger Behandlung normalerweise unter ein Prozent; in Haiti liegt sie derzeit bei über vier Prozent“, berichtete Unicef. In einigen ländlichen Gebieten sei sie sogar noch höher. Insbesondere Kinder unter 15 Jahren seien durch die Durchfallerkrankung bedroht. In den vergangenen Tagen seien Transportflüge mit Seife, Medikamenten und technischem Gerät aus Sicherheitsgründen gestoppt werden. Unicef versucht unter anderem, die Epidemie mit Aufklärungskampagnen in Schulen einzudämmen.

Viele Haitianer sind nach dem verheerenden Erdbeben vom Januar noch immer in einer verzweifelten Lage: So leben in der Hauptstadtregion immer noch über eine Million Obdachlose in Zeltlagern, die nach dem Erdbeben im Januar aufgebaut wurden. Doch unter noch schwierigeren Bedingungen leben mehrere Millionen Menschen in den Armensiedlungen und Slums im ganzen Land.

Die Cholera war am 19. Oktober in Haiti ausgebrochen, mehr als 18 000 Menschen wurden inzwischen in Krankenhäusern behandelt. Es war der erste bekanntgewordene Ausbruch seit mehr als 100 Jahren. Daher sei die Ausbildung zur Diagnose der Seuche und der richtige Umgang mit Infizierten nicht präsent, sagte ein Vertreter der US-Seuchenbehörde CDC.Nach einer CDC-Mitteilung vom Freitag sind Cholera-Fälle in sieben der zehn Departments und der Hauptstadt aufgetreten. In einem BBC-Bericht hieß es sogar, die Seuche sei mittlerweile in allen zehn Regionen präsent. Die Seuche erreichte inzwischen auch die Dominikanische Republik und den US-Bundesstaat Florida. In beiden Fällen hatte sich Haitianer bei einem Heimatbesuch infiziert.

Auf der Suche nach den Ursprung der Erreger hat die CDC inzwischen 14 Cholera-Erreger aus dem Department Artibonite analysiert. Ergebnis: Sie sind nicht zu unterscheiden und stammen daher vermutlich alle aus einer Quelle. Diese Erreger gebe es in Südasien aber auch in anderen Regionen der Erde. Weitere Erkenntnisse sollen nun die Analysen von Cholera-Bakterien aus anderen Regionen Haitis und die Erbgutsequenzierung von drei Proben bringen.