20-Meter-Loch in Thüringen wird aufgefüllt. Weitere Absackungen drohen vielerorts.

Schmalkalden. Es wird eine Herkules-Aufgabe werden. So schnell wie möglich muss der gewaltige Krater im südthüringischen Schmalkalden mit Kies aufgefüllt werden, denn er bedroht weiterhin die ihn umgebende Wohnsiedlung. "Es ist Gefahr im Verzug", sagt Andreas Maruschke vom Thüringer Umweltministerium. Das 20 Meter tiefe Loch war entstanden, nachdem in der Nacht zu Montag ein unterirdischer Hohlraum zusammengebrochen war. In ihm versanken ein Auto und Teile einer Garage. Menschen mussten ihre vom Einsturz gefährdeten Häuser verlassen.

Um das Loch zu verfüllen, sind 40 000 Tonnen Kies nötig, die mit 2000 Lkw-Ladungen an die Unglücksstelle transportiert werden müssen. Vorher muss der Krater stabilisiert werden, eine sehr komplizierte Aufgabe, da die Ränder brüchig sind. Geprüft wird zudem, ob es noch weitere Hohlräume gibt. Geologische Untersuchungen sollen Aufschluss geben über die Gesteinsschichtung und das Ausmaß der unterirdischen Auswaschungen.

Der Krater wird mithilfe eines Baggers und eines 30 Meter langen Förderbandes mit dem Geröll gefüllt werden. Die Arbeiten beginnen heute um 7 Uhr. Bis dahin muss der Riesenbagger, der 3,40 Meter breit ist und über einen 18,5 Meter langen Ausleger verfügt, aus Nauen (nahe Berlin) in Schmalkalden sein. "So baut man einen Gegendruck auf, damit die Flanken nicht weiter einstürzen", erklärte der Direktor des Instituts für Geowissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Gerhard Jentzsch. Doch ob die Aktion zum Erfolg führt, ist ungewiss. Selbst wenn das Loch gefüllt sei, könne es noch eine Weile dauern, bis sich der Erdfall beruhige. Noch droht Gestein nachzurutschen oder lockeres Material im Untergrund nachzugeben. "Auch gegen die Gefahr, dass sich unter dem Krater noch ein weiterer Hohlraum befinden könnte, kann man nichts tun."

Unterdessen wurden fünf der neun Häuser freigegeben. Neun Bewohner konnten in ihre Wohnungen zurückkehren. Für die anderen ist in der Siedlung am Röthberg Schadenserfassung angesagt. Hausbesitzer machen sich ein Bild von den Zerstörungen. Wolfgang Peter, dessen Grundstück direkt an der Abbruchkante steht, wird wohl nicht mehr in sein Haus zurückkehren können. "Die Statik ist völlig kaputt, das Haus ist nicht mehr bewohnbar", sagt der Bauingenieur. Während seine Ehefrau um Fassung ringt, sorgt sich Peters, wer für den Schaden aufkommt.

"Für mich wirkt das immer noch wie eine Katastrophenschutzübung, ich habe das noch nicht verarbeitet", beschreibt Irene Pastowski die Situation. "Man kann sich nicht vorstellen, dass das bei uns passiert ist", versucht sie ein weit verbreitetes Gefühl unter den 20 400 Einwohnern der Fachwerkstadt zu beschreiben.

Erdkrater wie im thüringischen Schmalkalden drohen überall in den deutschen Mittelgebirgen. "Im Thüringer Wald und im Südharz ist die Wahrscheinlichkeit aber besonders hoch", sagte Jentzsch.

Auf dem Kamm des Thüringer Waldes von Königsee im Osten bis zur hessischen Grenze hätten sich mächtige Salzschichten im Erdreich schräg gestellt. Hier könne Wasser leicht eindringen, das Salz auswaschen und die Erde zum Einsturz bringen. Außerhalb der Mittelgebirge liegen die Salzschichten gerade und sind daher von oben vor Auswaschungen geschützt.

Dass es auch anderswo in Deutschland zu Erdfällen kommen könne, bestätigt auch Geologe Peter Prinz-Grimm. In Hessen ziehe sich ein besonders gefährdeter Bogen von der Region östlich des Vogelbergs bis in den Norden beim Hohen Meißner.