Die Gegenbewegung zur Loveparade beginnt mit einer Schweigeminute. Auch Loveparade-Gründer Dr. Motte hat sich in Berlin angekündigt.

Berlin. Kein Megafon, keine wummernden Bässe: Dieses Mal wollen sie ganz leise sein bei der Fuckparade – zumindest für einen Moment. Für die Opfer des Unglücks bei der Loveparade wird es bei der Fuckparade am Sonnabend in Berlin eine Schweigeminute geben. Gleich zu Beginn der Demonstration werde am Leipziger Platz der Opfer der Katastrophe in Duisburg gedacht , sagt Veranstalter Thomas Rupp. Technofans zeigen sich solidarisch mit Technofans.

Auch Loveparade-Erfinder DJ Dr. Motte will kommen. Die Fuckparade war im Jahr 1997 als alternative Gegenbewegung zur Loveparade gegründet worden. Fuckparade sollte die Kurzform von „Fuck the Loveparade“ sein. Einige Protagonisten der Szene spalteten sich aus Protest gegen das Massenspektakel ab und gründeten einen eigenen Straßenumzug – die Loveparade war ihnen zu kommerziell und karnevalistisch geworden. Die Loveparade lief Ende der 90er auf ihren Höhepunkt zu, bei dem bis zu 1,5 Millionen Raver auf der Straße des 17. Juni im Drogen- und Liebesrausch tanzten. Zur Fuckparade kamen selten mehr als 2000 Menschen. Aber diese sahen sich als stolze Teilnehmer der „wahren Loveparade“ ohne „Technokirmes“, wie es der DJ und ehemalige Fuckparade-Mitorganisator WolleXDP formulierte.

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Für obsolet hält Veranstalter Rupp den alternativen Umzug nach dem tragischen Aus des einstigen Hassobjekts Loveparade nicht. Die Fuckparade habe sich schon vor Jahren von der Loveparade „gelöst“ und sei eine eigenständige Bewegung mit politischen Forderungen, sagt der 45-Jährige. Bei der Planung habe man sich zwar mit der Tragödie in Duisburg auseinandergesetzt. Aber den eigenen Umzug deshalb abzublasen das sei „eigentlich nicht“ ernsthaft in Erwägung gezogen worden, sagt Rupp.

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Nach der Schweigeminute werden 13 Wagen also wie gewohnt mit wummernden Bässen durch Berlins Mitte ziehen. Neben Techno gibt es auch andere Musikstile wie Drum&Bass, Gabba, Industrial und Punk zu hören. Demonstriert werden soll gegen die Kommerzialisierung von Kultur und öffentlichem Raum und gegen den „Überwachungsstaat“, wie es die Veranstalter formulieren. Rupp rechnet mit 1500 Teilnehmern. Die Route geht vom Leipziger Platz über den Prachtboulevard Unter den Linden bis nach Friedrichshain. Vorbei kommen die Protestierer auch am Roten Rathaus, dem Amtssitz des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD). „Herr Wowereit wird uns hören“, sagt Rupp.

Der Berliner Senatsverwaltung sei die Fuckparade immer ein Dorn im Auge gewesen. Rupp und die anderen Organisatoren mussten sich fast jedes Jahr durch teils mehrere Instanzen klagen, um dann doch wieder in Berlins Mitte demonstrieren zu dürfen. Zwischenzeitlich beschäftigte sich sogar das Bundesverwaltungsgericht mit dem Umzug und entschied, dass es sich um eine politische Demonstration handelt.

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Loveparade-Gründer Dr. Motte alias Matthias Roeingh engagiert sich seit einigen Jahren bei der Fuckparade, hielt mehrmals Reden und will auch dieses Mal mitlaufen. Die Marke Loveparade hatte er 2006 mit vier anderen Gesellschaftern an den Fitnessketten-Betreiber Rainer Schaller verkauft. Er habe damals vor dem Verkauf der Szene „an Ahnungslose gewarnt“, sei aber überstimmt worden, sagt Roeingh. Schaller ging dann mit der Loveparade ins Ruhrgebiet, der „Spirit“ der Techno-Szene sei freilich in Berlin geblieben, sagt Roeingh. Die Fuckparade nun wenige Wochen nach der Katastrophe von Duisburg mit 21 Toten durchzuziehen, sei „ok“. Schließlich habe die einstige Gegendemo längst andere Inhalte, sagt der DJ. „Und das Leben geht ja weiter.“