Kindermörder Magnus Gäfgen wurde vom EU-Gerichtshof als Folteropfer bestätigt. Hoffnung auf ein neues Verfahren hat sich aber zerschlagen.

Straßburg/Berlin/Frankfurt(Main). Der Kindsmörder Magnus Gäfgen hat keine Chance auf eine Neuauflage seines Prozesses. Der 35- Jährige errang vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit seiner Folterbeschwerde gegen Deutschland am Dienstag zwar einen Teilerfolg, doch der ist eher symbolisch:

Gäfgen darf sich weiterhin als Folteropfer bezeichnen. Seine Hoffnung auf ein neues Verfahren hat sich aber ein für alle Mal zerschlagen. Gäfgens Anwalt Michael Heuchemer war dennoch zufrieden. „Dies ist ein Signal, dass derartige Methoden bei der Polizei nicht einzusetzen sind“, sagte Heuchemer nach der Urteilsverkündung. Positiv äußerte sich auch der Anwalt der Familie des Mordopfers Jakob von Metzler. „Die Familie ist erleichtert, dass es keinen neuen Prozess geben wird“, sagte Rechtsanwalt Eberhard Kempf.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) stellte klar: „Das Folterverbot gilt absolut. Die Menschenwürde ist das kostbarste Gut der Menschenrechte und Grundlage unseres gesamten Rechtssystems. Diese rote Linie darf niemals überschritten werden.“

Die Straßburger Richter befanden, dass „die Drohung mit vorsätzlicher Misshandlung als unmenschliche Behandlung im Sinn des absoluten Folterverbots der Menschenrechtskonvention einzustufen ist.“ Doch einem neuen Gerichtsverfahren, wie es Gäfgen erhofft hatte, schoben die Grundrechts-Richter einen Riegel vor. Der Strafprozess gegen Gäfgen, der vor etwa acht Jahren den Frankfurter Bankierssohn entführt und ermordet hatte, „muss im Ganzen als fair betrachtet werden“, hieß es in der Urteilsbegründung.

Gäfgen habe in der Hauptverhandlung seine Tat „freiwillig“ gestanden, dies sei die Grundlage seiner Verurteilung gewesen. Man habe ihn informiert, dass seine früheren Aussagen nicht als Beweis gegen ihn verwendet werden dürfen. Die erste Kammer des EGMR hatte vor zwei Jahren Gäfgens Beschwerde abgewiesen. Polizisten hatten Gäfgen mit besonderen Schmerzen gedroht, wenn er das Versteck des Kindes nicht preisgebe. Die Beamten glaubten, der Junge sei noch am Leben, obwohl er längst tot war. Die Richter äußerten sich nicht über ein Schmerzensgeld für Gäfgen, forderten Deutschland aber auf, das Schmerzensgeldverfahren „zügig zu beenden“.

Dieser Forderung schloss sich auch Leutheusser-Schnarrenberger an. „Der Gerichtshof hat hervorgehoben, dass der Verstoß gegen das Verbot der unmenschlichen Behandlung nicht ausreichend wieder gut gemacht wurde. Es ist jetzt Sache des damit befassten Gerichts, das bereits seit mehr als drei Jahren anhängige Schadensersatzverfahren unter Beachtung dieses Urteils zu Ende zu bringen.“

Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU) sagte, der EGMR habe festgestellt, dass der Prozess gegen Gäfgen fair war, und eine Wiederaufnahme des Verfahrens abgelehnt. „Das ist insbesondere für die Familie des Opfers wichtig, damit die ganze Geschichte nicht noch einmal aufgewühlt wird“, sagte Bouffier. Das Urteil müsse im übrigen noch genau geprüft werden.

Die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth, sagte, der EGMR habe weise und gerecht entschieden. Der Kindsmörder Magnus Gäfgen werde seine Strafe absitzen müssen. Aber auch ein Mörder habe Anspruch auf ein rechtsstaatliches Ermittlungsverfahren. Das Gericht habe klargestellt, dass der Staat Folter und ihre Androhung ausschließen muss.

Der 35-jährige ehemalige Jura-Student Gäfgen verbüßt in Schwalmstadt eine lebenslange Haftstrafe. Entführt hatte er den damals 11 Jahre alten Jungen aus Habgier und Geltungssucht. Er war pleite, wollte aber seiner Freundin und gut situierten Freunden vortäuschen, er arbeite bei einer Kanzlei. Kurz nachdem er das erpresste Lösegeld von einer Million Euro abgeholt hat, wurde er von der Polizei festgenommen.