Flugaufsicht in Brüssel rechnet nicht mit einer schnellen Besserung im Luftverkehr. Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Lissabon umgeleitet.

Hamburg. Nichts geht mehr. "Annulliert", steht reihenweise auf den Anzeigetafeln deutscher Flughäfen. Vor den Schaltern der Gesellschaften stehen Schlangen von Reisenden, die nicht wissen, ob, wann und wie sie ihr Ziel erreichen können. Ein anderes Bild auf den Bahnhöfen. Hier drängen sich die Menschen, um einen Platz meist in Richtung Heimat zu bekommen. Die Lage am Himmel über Europa wird sich so schnell nicht verändern. Das teilte am Freitag die europäische Flugaufsichtsbehörde Eurocontrol mit. Auch am heutigen Sonnabend dürften die meisten europäischen Flughäfen geschlossen bleiben. Eurocontrol-Sprecher Brian Flynn in Brüssel: "Die Aschewolke aus dem isländischen Vulkan bewegt sich nur sehr langsam in östliche und südliche Richtung." Für Montag berief Eurocontrol eine Sondersitzung mit Vertretern aus allen 40 Mitgliedstaaten ein.

Am Mittwoch war der Gletschervulkan Eyjafjallajökull auf Island das zweite Mal innerhalb von vier Wochen ausgebrochen, seither hält seine Aschewolke nicht nur die Isländer in Schach. Ein selten auftretender Jetstream (Höhenwind) befördert die Wolke jeden Tag mit einer Geschwindigkeit von 230 km/h mehrere Tausend Kilometer weit. Große Teile Europas sind dem Naturspektakel hilflos ausgeliefert. Für die Drehscheiben Europas wie London-Heathrow oder Frankfurt/Main bedeutet dies immense wirtschaftliche Einbußen. Allein in London starten und landen 1300 Flüge täglich. In Frankfurt sind es 1400. Nach Angaben des Deutschen Reiseverbandes DRV saßen am Freitag in Europa bereits rund 50 000 Gäste aus Deutschland an ihren Urlaubsorten fest oder konnten ihre Ferien nicht antreten. Allein der europäischen Luftfahrtbranche droht nun ein Schaden von rund 150 Millionen Euro am Tag, schätzt der Verband der europäischen Fluggesellschaften AEA. Flughafenbetreiber Fraport kostet der Ausfall nach einer ersten Schätzung 2,5 bis drei Millionen Euro pro Tag, sagte ein Sprecher.

Die Ausfälle bringen auch menschliche Probleme: So ist die Trauerfeier für den kürzlich tödlich verunglückten polnischen Präsidenten Lech Kaczynski gefährdet. Der Luftraum über Polen ist gesperrt, die Trauergäste aus rund 80 Ländern können die Reise nun am Sonntagvormittag wahrscheinlich nicht antreten. Das Regierungsflugzeug mit Bundeskanzlerin Angela Merkel erreichte am Freitag nur Lissabon. Die Maschine konnte auf dem Rückflug aus Amerika nicht in Deutschland landen und wurde umgeleitet. CDU-Chefin Merkel verbrachte die Nacht im Hotel Ritz-Carlton in der portugiesischen Hauptstadt. Hunderttausende Fluggäste in Nordeuropa hatten es weniger komfortabel. Viele mussten in den Airports übernachten.

Wie es weitergeht, wissen auch die Experten nicht. In Island sind die Wissenschaftler besorgt, nicht über den aktiven Eyjafjallajökull, sondern über den Nachbarvulkan Katla. Noch gebe es keine Anzeichen für ein Erwachen, sagte der Geologe Pall Einarsson. Er verwies in der Zeitung "Morgunbladid" aber auf die Geschichte. So sind drei historische Ausbrüche des Eyjafjallajökull belegt - 920, 1612 und 1821-23. Ihnen folgte stets eine Eruption des Katla. Sollten beide Vulkane Asche in den Himmel speien, könnte das schwere Folgen für Europa haben. Gestern stieß der Eyjafjallajökull allerdings weniger gefährliche Stoffe aus und hatte an Kraft verloren. Das ergab ein Überwachungsflug der isländischen Küstenwacht, die Radar-Aufnahmen machte. Die Aschewolke habe jetzt eine "reinere" Zusammensetzung, sie bestehe fast nur noch aus Wasser sowie Steinpartikeln.

Dies bedeutete aber nicht, dass sich ein Ende des Ausbruchs abzeichnen könnte.