Der Kreis der Betroffenen wird größer. Immer mehr Missbrauchsopfer melden sich zu Wort - erheblich mehr als vorerst angenommen.

Berlin. Am katholischen Canisius-Gymnasium in Berlin sind wesentlich mehr Schüler sexuell missbraucht worden als bisher bekannt. „Es sind inzwischen über 100 Fälle, die sich am Canisius- Kolleg oder bei mir gemeldet haben“, sagte die vom Jesuiten-Orden mit der Untersuchung der Vorwürfe beauftragte Berliner Rechtsanwältin Ursula Raue am Montag. Sie wurde bereits vor drei Jahren von den Jesuiten zur Betreuerin von Missbrauchsopfern berufen.

Darunter seien Opfer, die mit Namen oder anonym Angaben machten. Sie wolle versuchen, noch in dieser Woche einen Zwischenbericht vorzulegen, sagte Raue. Was sie darin vorschlage, wolle sie vorher nicht öffentlich bekanntgeben. Sie hob hervor, dass es sich dabei auch um Schüler anderer Jesuiten-Schulen in Deutschland handele. Auch aus dem Bistum Hildesheim wurden weitere verjährte Fälle gemeldet.

Viele hätten sich an die beiden Stellen in der Hauptstadt gemeldet, weil der Rektor des Kollegs vor zwei Wochen Missbrauchsfälle öffentlich gemacht habe. Derweil teilte das Bistum Hildesheim mit, neue Hinweise auf sexuellen Missbrauch durch Geistliche erhalten zu haben. Dabei geht es überwiegend um Beschuldigungen gegen die drei Jesuiten, die im Mittelpunkt des Skandals stehen. Bis auf einen lägen alle neu gemeldeten Fälle 35 bis 50 Jahre zurück. Bischof Norbert Trelle hatte in einem am 7. Februar in allen Gottesdiensten verlesenen Brief mögliche Opfer aufgerufen, sich zu melden. Nach diesem Aufruf seien die meisten Hinweise erfolgt.

Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) drängt auf mehr Rechte für die Opfer von Missbrauch. Lange zurückliegende Taten sollten deutlich später verjähren als bisher, sagte Merk der „Passauer Neuen Presse“ (Montag). Bei sexuellem Missbrauch von Kindern sei eine Verlängerung der strafrechtlichen Verjährungsfrist auf 30 Jahre „unabdingbar“. Merk plädierte zudem dafür, die Frist wie im Zivilrecht erst ab dem 21. Lebensjahr des Opfers beginnen zu lassen. Die Opfer sollten zivilrechtliche Schadensersatzansprüche auch länger einklagen können.