Unter den Muslimen in den USA wächst die Angst vor Vergeltung. Nach Todesdrohungen wurden Sicherheitsmaßnahmen verschärft.

Fort Hood. Der amerikanische Islamwissenschaftler Muqtedar Khan bringt die Entrüstung vieler Muslime in den USA auf den Punkt: „Viele von uns arbeiten hart daran mit, das Leben in Amerika ständig zu verbessern. Und dann kommt so ein Verrückter wie Major Hasan daher, und in ein paar Sekunden macht er all die harte Arbeit vieler Jahre kaputt und unterläuft die Bemühungen amerikanischer Muslime, sich voll in die Gesellschaft zu integrieren.“

Nach dem Amoklauf von Fort Hood, bei dem Nidal Malik Hasan, ein Militärpsychiater muslimischen Glaubens und palästinensischer Herkunft, 13 Menschen tötete und 29 zum Teil schwer verletzte, fürchten Muslime das Wiederaufleben alter Stereotypen sowie Repressalien seitens der christlichen Mehrheitsbevölkerung. Einige sprechen schon von der kritischsten Situation seit den Terroranschlägen von New York und Washington am 11. September 2001.

Umso mehr bemühten sich führende Vertreter der islamischen Gemeinschaft, das Blutbad zu verurteilen. „Wenn immer ein Verbrechen geschieht, und der Täter hat einen arabischen oder muslimischen Namen, ist das für uns ein doppelter Schock. Wir haben dann Angst vor den Konsequenzen“, sagte der Imam Mostafa Al-Qazwini aus Costa Mesa in Kalifornien. Anderen Geistlichen zufolge gingen bei muslimischen Organisationen bereits feindliche Anrufe und E-Mails ein, in denen auch Todesdrohungen ausgesprochen wurden. Viele Moscheen baten daraufhin um verstärkten Polizeischutz, Imame mahnten ihre Gläubigen zur Vorsicht: Am besten sollten sie die Öffentlichkeit meiden und nicht allein nach draußen gehen.

Bei den Freitagsgebeten der Muslime stand das Blutbad vom Vortag überall im Mittelpunkt. Der mutmaßliche Täter Hasan gehörte einst zur Gemeinde von Silver Spring im US-Staat Maryland. Dort rief Imam Mohamed Abdullahi die Gläubigen dazu auf, das Gespräch mit ihren nicht-muslimischen Nachbarn zu suchen und sie davon zu überzeugen, dass der Islam absolut nichts mit der Bluttat zu tun habe. Doch überall stand auch die Befürchtung im Raum, dass solche Beteuerungen auf taube Ohren stoßen könnten. Allein die Tatsache, dass Hasan bei seinem Amoklauf „Alluha Akbar!“ – „Gott ist groß!“ - gerufen hat, könnte dazu führen, dass der Islam an sich verunglimpft wird. Zudem wird Hasan verdächtigt, im Internet verherrlichende Botschaften über Selbstmordanschläge und Gewalt verbreitet zu haben.

Einer der nur zwei muslimischen Kongressabgeordneten, Andre Carson aus Indiana, warnte denn auch davor, die Debatte auf die Religion des Täters zu konzentrieren anstatt auf dessen mutmaßliche Persönlichkeitsstörung. „Dieses Verbrechen hat genau so wenig mit dem Islam zu tun wie die Tat von Timothy McVeigh etwas mit dem Christentum zu tun hat“, betonte Carson mit Blick auf den Rechtsextremisten, der 1995 bei einem Anschlag in Oklahoma City fast 170 Menschen tötete und dafür 2001 hingerichtet wurde.

Heimatschutzministerin Janet Napolitano sagte am Sonntag, die Regierung hoffe, dass die Tat keine antimuslimischen Ressentiments schüre. Ihre Behörde arbeite mit örtlichen Organisationen zusammen, um solche Reaktionen zu verhindern. „Dies war ein Einzelner, der nicht den muslimischen Glauben repräsentiert“, sagte sie bei einem Aufenthalt in Abu Dhabi. Eboo Patel, Geschäftsführer des Interreligiösen Jugendverbands in Chicago, hat die befürchteten Pauschalurteile sofort erfahren. Zum Zeitpunkt des Amoklaufs am Donnerstag hielt er vor einer jüdischen Organisation in Toronto einen Vortrag über die friedliche Tradition des Islams. Und dann informierte ihn ein Rabbiner über den Vorfall in Fort Hood und fügte sofort hinzu: „Der Kerl hat einen muslimischen Namen!“ Die Reaktionen seien dann entsprechend negativ ausgefallen, bedauert Patel, der auch das Weiße Haus in Religionsangelegenheiten berät.

Manche Muslime stellen vor diesem Hintergrund die Frage, warum sie sich eigentlich so vehement entschuldigen sollten. Dies erwecke nur den Eindruck, dass man sich für seine Religion immer wieder rechtfertigen müsse. „Wir entschuldigen uns für Leute, die wie gar nicht kennen“, kritisiert der frühere Marineoffizier Robert Salaam, der vor einigen Jahren zum Islam konvertierte. Dennoch gibt er zu, was sein erster Gedanke war, als er von dem Amoklauf in Fort Hood hörte: „Hoffentlich war es kein Muslim!“