Die Polizei nahm im Fall der neunjährigen Kassandra aus Velbert einen erst 14-jährigen Jungen fest. Dieser streitet die Tat jedoch ab.

Mettmann. Das brutale Gewaltverbrechen an der neunjährigen Kassandra hat Menschen in ganz Deutschland entsetzt - doch der jetzt festgenommene Tatverdächtige ist selbst noch ein Kind. Ein erst 14 Jahre alter Jugendlicher soll Kassandra Mitte September im Velberter Stadtteil Neviges fast zu Tode geprügelt, sie in einen Kanalschacht geworfen und diesen anschließend mit einem Deckel verschlossen haben. Der 14-Jährige bestreitet die Tat - und gibt sich dabei laut Polizei auffallend emotionslos. Der Junge besuche eine Förderschule für soziale und emotionale Entwicklung, seit seiner Kindheit sei er verhaltensauffällig, sagte der Leiter der Mordkommission, Wolfgang Siegmund, am Wochenende in Mettmann. Er beschrieb den Verdächtigen als offenbar normal intelligent, lernbehindert sei er nicht. Der Junge soll aus einer „unauffälligen“ Familie stammen - Kassandra kenne er aus dem Jugendtreff, den sie noch kurz vor ihrem Verschwinden besucht hatte. Dort hat der 14-Jährige inzwischen während der Gruppenzeit für jüngere Kinder Hausverbot, weil er diese wiederholt geärgert und provoziert haben soll. Eltern hatten sich darüber beschwert.

Schon früh war der Jugendliche Siegmund zufolge ins Visier der Ermittler geraten. Bereits am Tag nach dem Auffinden Kassandras wurde er erstmals vernommen - nur als Zeuge allerdings, weil nichts Konkretes gegen ihn vorlag. Dann verdichteten sich die Hinweise: Zeugen hatten einen Jungen, dessen Beschreibung „absolut“ auf den 14-Jährigen zutraf, am Tatort beobachtet und ihn später mit einem Fahrrad flüchten sehen. Am 22. September befragte die Polizei den Jungen daher erneut, diesmal als Beschuldigten. Doch der Teenager stritt die Tat bei allen Vernehmungen beharrlich ab. „Er will nichts damit zu tun haben“, sagte Siegmund. Der Jugendliche habe merkwürdig gefühllos gewirkt: „Er zeigte sich völlig gelassen, abgeklärt und ohne emotionale Regungen“, sagte Siegmund. „Das ist schon bemerkenswert für einen 14-Jährigen.“ So habe er auf jede Frage eine Antwort gehabt, obgleich er sich zeitweise in Widersprüche verwickelte. Festnehmen konnten die Ermittler den Jugendlichen nach den Vernehmungen nicht, zu dünn waren die Indizien gegen ihn - erst am Freitagabend ergab sich laut Staatsanwalt Rüdiger Ihl ein dringender Tatverdacht. Das Landeskriminalamt hatte Faserspuren von der Kleidung des Jungen an einem von der Polizei nicht näher benannten „Tatmittel“ und der in Tatortnähe entdeckten Jacke Kassandras entdeckt.

Der 14-Jährige wurde in der Wohnung seiner Eltern festgenommen, gegen ihn erging Haftbefehl wegen des Verdachts auf versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung. Er befinde sich nun in einer Justizvollzugsanstalt, die auch für Jugendliche geeignet sei, erklärten die Ermittler.

Bei den Justizbehörden ist der Junge kein Unbekannter: Wegen eines anderen Körperverletzungsdeliktes läuft gegen ihn bereits ein Ermittlungsverfahren, zwei weitere Verfahren wegen Beleidigung und Sachbeschädigung seien eingestellt worden, hieß es. Unklar ist dem Staatsanwalt zufolge allerdings, ob der Verdächtige wegen seines Alters strafrechtlich überhaupt verantwortlich gemacht werden kann. Psychiatrische Untersuchungen sollen diese Frage nun klären. Die Ermittler wiesen darauf hin, dass sie nach wie vor auf neue Hinweise hoffen - der Fall sei noch nicht abgeschlossen. Da der Junge nicht gestehe, laufe man derzeit in ein Indizienverfahren. Möglicherweise kann das Opfer der Gewalttat bald mehr Licht ins Dunkel bringen: Kassandra kann der Polizei zufolge zwar nach wie vor nicht vernommen werden, befindet sich aber weiter auf dem Weg der Besserung. „Wir sind guter Hoffnung, dass wir bald mit Kassandra reden können“, sagte Siegmund. Sie werde vermutlich keine bleibenden körperlichen Schäden davontragen.

Der Täter fügte Kassandra ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und zahlreiche innere Verletzungen zu. Suchhunde hatten das Kind in der Nacht nach der Tat während starker Regenfälle in dem Kanalschacht entdeckt. Ansonsten wäre es laut Polizei wohl bald seinen schweren Verletzungen erlegen.