Vor 30 Jahren hat er die 18-jährige Lolita Brieger getötet. Weil das aber so lange her ist, kann der Landwirt dafür nicht mehr bestraft werden. Als freier Mann verlässt er das Gericht und fährt nach Hause. Die Familie der Getöteten kann es nicht fassen.

Trier. Petra Brieger stehen die Tränen in den Augen. „Ich glaube nicht mehr an Gerechtigkeit“, sagt die 49-Jährige im Trierer Landgericht. Der Mann, der nach Überzeugung der Richter vor 30 Jahren ihre Schwester Lolita Brieger getötet und auf einer Müllkippe im nordrhein-westfälischen Frauenkron verscharrt hat, ist am Montag freigesprochen worden. Weil die als Totschlag gewertete Tat so lange zurückliegt und damit verjährt ist. „Das ist eine Ohrfeige für uns, vor allem für meine Mutter“, sagt Petra Brieger. „Ich stehe unter Schock.“

Der 51-jährige Landwirt, dem seit Anfang März in Trier der Prozess wegen Mordes gemacht wurde, verließ währenddessen das Gericht als freier Mann. Im schwarzen Auto seines Anwalts lag er auf der Rückbank, mit einer Jacke zugedeckt. „Er fährt nach Hause“, sagte sein Verteidiger Heinz Neuhaus. Ob er wirklich auf seinen Bauernhof im Eifeldorf Scheid zurückkehrt, blieb offen. „Der ist abgestempelt. Mit dem will doch keiner mehr was zu tun haben“, sagt Brieger.

Doch werden sie alle mit dem Bauern leben müssen – liegt sein Hof nur rund 500 Meter vom Brieger-Elternhaus in Frauenkron entfernt. Nach Überzeugung des Trierer Gerichts hat er seine Ex-Freundin Lolita Brieger im November 1982 in einem Schuppen am Hof getötet. Die Leiche packte er in Folie und verscharrte sie mit einem damals befreundeten Dachdecker in Frauenkron zwischen Müllbergen.

Dabei hatte die Beziehung zwischen der jungen Näherin Lolita und dem reichen Bauernsohn „Jupp“ glücklich begonnen. „Alles war zunächst himmelblau“, sagte Staatsanwalt Eric Samel. Sogar über das Heiraten wurde gesprochen. Doch plötzlich gab es nur noch Streit. Warum? Weil Lolita von ihm schwanger wurde, und der Bauernsohn wusste, dass seine Freundin aus einfachen Verhältnissen nicht zu seiner gut betuchten Familie passte. Immer wieder versuchte der Bauer, sich von der 18-Jährigen zu trennen, auch am Tag vor der Tat. Aber Lolita ließ nicht locker.

Vor allem der Druck des Vaters, Lolita loszuwerden, sei groß gewesen, sagte die Vorsitzende Richterin Petra Schmitz. Der „Senior“ habe der angehenden Mutter sogar eine Abfindung zahlen wollen. Aber die junge Frau, die bereits fleißig Babykleider nähte, wollte das gemeinsame Kind unbedingt. Und versuchte auch an ihrem Todestag „Jupp“ umstimmen. „Sie trafen sich im Schuppen und er tötete sie auf nicht mehr zu klärende Weise“, sagte Schmitz. Möglicherweise habe er sie erwürgt, möglicherweise erdrosselt – aber das sei nach 30 Jahren nicht mehr feststellbar.

Dass dem Landwirt nach fast drei Jahrzehnten überhaupt der Prozess gemacht werden konnte, lag an einem Zeugen, der im vergangenen Herbst ausgepackt hatte. Der Dachdecker, der beim Wegschaffen der Leiche dabei war, führte die Polizei zu der inzwischen bewaldeten Müllhalde. Dort stießen die Ermittler auf Lolitas sterbliche Überreste, mit „eingebackenen Drahtresten“ an Bluse und Pullover. Die einmal eine Schlinge gebildet haben könnten, mit der Lolita erwürgt wurde. Die Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe seien aber nicht sicher nachweisbar gewesen, sagte Schmitz.

Auch für Triers Leitenden Oberstaatsanwalt Jürgen Brauer ist das Urteil „ein Ergebnis, das nicht zufriedenstellend ist“. Totschlag sei aber nun mal verjährt. Daher sei die Kernfrage des Prozesses gewesen, ob dem 51-Jährigen ein Mord nachgewiesen werden könnte. Denn nur dann hätte er ins Gefängnis gemusst – da Mord nicht verjährt.

Für die Briegers ist das alles unverständlich. „Wir müssen endlich alle wieder Ruhe finden und abschließen“, sagte eine andere Schwester Lolitas, Gisela Peter (59). Dies sei jetzt aber nur schwer möglich. „So oder so. Meine Schwester wird davon auch nicht mehr lebendig“, sagte sie resigniert.