14 Monate nach dem isländischen Vulkan mit dem schier unaussprechlichen Namen schleudert ein anderer namens Grímsvötn Asche in die Luft.

Reykjavik. Der verheerende Ausbruch des Vulkan Eyjafjallajökull ist erst ein gutes Jahr her, jetzt spuckt der nächste Riese seine Asche aus. Probleme im Flugverkehr gab es dieses Mal aber vorerst nur in Island. Seit Sonnabendabend schleuderte der Grímsvötn im Südosten der Atlantikinsel eine bis zu 20 Kilometer hohe Säule aus dunkler Asche und Wasserdampf in die Höhe. Starts und Landungen in Island wurden damit unmöglich. Am Sonntagmorgen mussten der internationale Flugplatz Keflavik und weitere Flughäfen auf Island bis auf weiteres schließen. Vor 14 Monaten war der Vulkan Eyjafjallajökull ausgebrochen und hatte den internationalen Flugverkehr wochenlang lahmgelegt.

Die Gefahr, dass sich solch ein Flugchaos in weiten Teilen Europas wiederholt, hielten Experten für ziemlich gering. Die Asche aus dem Grímsvötn sei sehr viel schwerer und grober, so dass sie viel schneller und in der näheren Umgebung niedergehen dürfte, hieß es übereinstimmend.

Die Aschewolke vom Grímsvötn wird nach Einschätzung der europäischen Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol den Flugverkehr in Europa vorerst nicht stoppen. „Derzeit gibt es keine Auswirkungen auf europäische und transatlantische Flüge und diese Situation wird voraussichtlich in den nächsten 24 Stunden auch so bleiben“, teilte Eurocontrol am Sonntagabend auf seiner Internetseite mit. Die Aschewolke habe eine Höhe von 12 Kilometer und bewege sich von Island in nord-östliche Richtung.

Die Probleme beschränkten sich am Wochenende auf Island. „Die Aschewolke hat sich nicht Richtung Europa bewegt, sondern ist über Island hängengeblieben“, sagte Hjordis Gudmunsdottir von der Flugaufsicht Isavia der Nachrichtenagentur dpa. „Wir haben die Probleme nur bei uns in Island.“

Bei der Deutschen Flugsicherung (DFS) in Langen hieß es am Sonntag, die Aschewolke versetze die Experten zwar in Wachsamkeit. „Aber nach momentanem Stand ist vor Dienstag nichts zu erwarten - wenn überhaupt“, sagte ein Sprecher.

Kari Kristjansson, ein Mitarbeiter im Nationalpark am Vatnajökull, sagte: „Durch die Asche ist es hier so dunkel, dass man die Hand vor Augen nicht sehen kann. Schon komisch in der hellsten Zeit des Jahres.“ Auf mehreren Bauernhöfen am Rand des größten isländischen Gletschers drang die Asche auch in die Häuser ein. Bewohner sollten Türen und Fenster schließen und möglichst nicht ins Freie gehen. Die Behörden sahen aber keinen Anlass zu Evakuierungen wie im Frühjahr 2010 beim Ausbruch des Gletschervulkans Eyjafjallajökull.

Mit vier Ausbrüchen seit 1996 gehört der Grímsvötn unter dem riesigen Gletscher Vatnajökull zu den derzeit aktivsten von Islands insgesamt über 30 aktiven Vulkanen. Er ist einer der eher kleineren, in dessen unmittelbarer Nähe wegen des Gletschers keine Menschen leben.

1996 sorgte der Grímsvötn für massive Überschwemmungen, die Straßen und Brücken im Süden der Insel zerstörten. Nach Angaben von Geologen in Reykjavik sind solche Folgen dieses Mal wegen viel geringerer Wassermengen am Vulkan nicht zu befürchten. Allerdings galt der Ausbruch jetzt als stärker, verglichen mit dem von 1996 und zuletzt von 2004. Der TV-Moderator und Umweltaktivist Omar Ragnasson sagte nach einem Flug mit dem Sportflugzeug über den Vulkan vor Verhängung der Flugverbote: „Das ist mein 23. Vulkanausbruch. Ich habe nie einen größeren gesehen.“ Nie zuvor habe er auch so viele Blitze als Teil eines Ausbruchs erblickt. (dpa/abendblatt.de)

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Ein gutes Jahr nach seinem spektakulären Ausbruch präsentiert sich der isländische Vulkan Eyjafjallajökull friedlich und fast unscheinbar in seiner malerischen Umgebung. Aber er hat neben den Ascheresten, die es in kleinen Mengen auch auf Ansichtskarten zu kaufen gibt, für die Anwohner erfreuliche Spuren hinterlassen: "Das Interesse an Island war noch nie so groß wie jetzt", sagen die Tourismusexperten des kleinen Landes, wo Feuer und Eis so dicht wie nirgendwo sonst aufeinandertreffen. Nicht auszuschließen ist aber auch, dass die Folgen der Wirtschaftskrise und die Abwertung der isländischen Krone die Aufmerksamkeit für das Land mit den brodelnden Geysiren, tosenden Wasserfällen und weiten Gletscherlandschaften stark erhöht haben. Noch für dieses Jahr wird mit einer Zunahme der Besucherzahl um 20 Prozent gerechnet.

Für die Isländer selbst ist das Naturereignis heute kaum noch ein Gesprächsthema. Schließlich sind in den vergangenen beiden Jahrhunderten nicht weniger als 30 Feuerberge explodiert. Ein Isländer aber machte die Not von damals zur Tugend und zu Geld: Bauer Olafur Eggertsson. Die Bilder von seinem aschebedeckten Hof Thorvaldseyri am Fuße des Vulkans gingen um die Welt. Jetzt kann sich der 58-Jährige die Hände reiben.

Auf seinem Grundstück an der Hauptstraße im Süden der Insel eröffnete er Mitte April ein Ausstellungszentrum zur Dokumentation des gewaltigen Naturschauspiels. Aus einer angrenzenden Autowerkstatt ließ er auf 120 Quadratmetern ein kleines Museum entstehen, in dem die Besucher jetzt in einer Multimedia-Schau und einem 20-Minuten-Film alles noch einmal miterleben können. Eintrittspreis: 800 isländische Kronen - umgerechnet knapp fünf Euro. 20 000 Touristen erwartet der Landwirt während der Hauptreisezeit in diesem Sommer.

"Die Idee für das Informationszentrum kam uns schon wenige Tage nach dem Ereignis. Zuerst waren wir natürlich geschockt und verzweifelt", erzählt Inga Olafsdottir, eine der drei Töchter des Landwirts und inzwischen auch Managerin des neu gegründeten kleinen Unternehmens. "Als damals aber immer wieder Leute vor unserem Haus anhielten, viele Fragen stellten und wissen wollten, wie wir den Vulkanausbruch erlebt haben und überleben konnten, haben wir uns zu dem Projekt entschlossen." Das von der Asche schwer in Mitleidenschaft gezogene Gebäude wurde grundlegend restauriert. Darin entstand neben einem modernen Filmvorführraum mit Rundum-Stereoklang unter anderem auch ein Souvenir-Shop. "Zur Erinnerung gibt es hier zum Beispiel Vulkanasche in Flaschen zu kaufen, pro Stück für umgerechnet etwa sechs Euro", berichtet Inga Olafsdottir.

Auch die Landwirtschaft auf dem 125 Jahre alten Hof ging weiter. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass die Wiesen in der Umgebung grüner sind als je zuvor - Ursache ist die düngende Wirkung der Asche. Viele Produkte der Farm, die als eine der größten im Land bekannt ist, sind ebenfalls in dem Souvenirshop zu haben. "Dazu gehört auch ein Brot, das aus hiesiger Gerste gebacken wird", ergänzt die Landwirtstochter.

Angst, dass der Vulkan erneut aktiv werden könnte, hat die Farmersfamilie nicht. "Wir hoffen natürlich, dass er für die nächsten Jahrhunderte Ruhe gibt", sagt Inga. "Aber falls er doch wieder ausbrechen sollte, wissen wir, wie es sein wird." Eine Botschaft aber an die vielen Touristen liegt Bauer Eggertsson und seiner Familie besonders am Herzen: "Wir wollen zeigen, dass man niemals aufgeben darf - auch dann nicht, wenn die Situation zunächst hoffnungslos erscheint."

Ein Jahr, nachdem Island wochenlang für weltweite Schlagzeilen sorgte, laufen auch woanders die Vorbereitungen auf mehr Touristen auf Hochtouren: "Neue Restaurants und Geschäfte werden eröffnet, zusätzliche Bootstouren angeboten. Vor allem: Ein präzises Qualitätskontrollsystem soll alles überwachen", verspricht Dóra Magnúsdóttir vom Tourismusbüro in der Hauptstadt Reykjavík.

Rund 500 000 Touristen kamen 2010 ins Land. 2011 sollen es schon 600 000 sein, und für 2015 bis 2020 rechnen die Experten mit einer Million Gästen. Die nationale Fluggesellschaft Icelandair reagiert mit einer Ausweitung ihrer Kapazität um 30 bis 40 Prozent. Das bedeutet fast 1200 Plätze mehr. "Neu im Flugplan sind zum Beispiel von Juni bis September dienstags und freitags Direktflüge von Hamburg nach Reykjavík und zurück. Die Flugzeit beträgt etwa drei Stunden und 20 Minuten", sagt Icelandair-Sprecher Arthur Bollason.

Hauptattraktionen des 300 000-Einwohner-Landes im hohen Norden bleiben die vielen heißen Quellen, die Geysire, Gletscher, Wasserfälle und die Blaue Lagune, das Thermalfreibad inmitten der für Island typischen Lavafelder. Noch größeres Besucherinteresse als bisher erwarten auch die Verwalter im früheren Wohnhaus des isländischen Literaturnobelpreisträgers Halldór Laxness am Gljúfrasteinn in der Nähe von Reykjavík. Denn die isländische Literatur steht in diesem Jahr besonders in Deutschland im Blickpunkt. Das Land am Polarkreis ist auf der Frankfurter Buchmesse als Ehrengast vertreten. Einer der Höhepunkte wird dabei die Präsentation einer Neuübersetzung der berühmten Sagas sein. Es gilt als derzeit größtes Übersetzungsprojekt der Welt.