Gegen den 18-Jährigen wurde Anklage wegen versuchten Totschlags erhoben. Die Attacke im U-Bahnhof Friedrichstraße löste Entsetzen aus.

Berlin. Knapp zwei Wochen nach dem Gewaltexzess im Berliner U-Bahnhof Friedrichstraße ist gegen einen 18 Jahre alten Schüler Anklage erhoben worden. Das teilten Justizverwaltung und Staatsanwaltschaft am Donnerstag mit. Nach Informationen wird versuchter Totschlag und nicht versuchter Mord angeklagt. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, sagte, nähere Einzelheiten könnten erst mitgeteilt werden, wenn die Verfahrensbeteiligten informiert seien.

Die brutale Attacke in der Nacht zum Ostersonnabend war von Überwachungskameras aufgezeichnet worden. Zu sehen war, wie zwei Jugendliche einen 29-Jährigen zunächst auf einer Bank am Bahnsteig anpöbelten. Als der Installateur aufstand, schlug ihm der 18-Jährige eine Flasche auf den Kopf. Das Opfer ging zu Boden und blieb regungslos auf dem Bauch liegen. Dann trat der Angreifer mehrmals mit voller Wucht gegen den Kopf des hilflosen Mannes, der das Bewusstsein verlor. Er hat das Krankenhaus inzwischen wieder verlassen.

Der Schläger stellte sich selbst. Er sei betrunken und aggressiv gewesen, sagte er laut Staatsanwaltschaft zu dem Überfall in seiner Vernehmung. Er habe Streit gesucht und sein Opfer zufällig ausgesucht. Von der Untersuchungshaft wegen versuchten Totschlags wurde er verschont. Gegen seinen Komplizen, der ebenfalls auf freiem Fuß ist, wird wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt.

Dass der Fall nicht noch schlimmer ausging, ist wohl einem Touristen aus Bayern zu danken. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass er dem Opfer das Leben rettete, weil er sich einmischte und die Angreifer zunächst in die Flucht schlug. Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch dankte dem jungen Mann in einem Brief für seinen couragierten Einsatz und lud ihn zu einem Hauptstadt-Besuch ein.

Die Haftverschonung für den 18-Jährigen hatte heftige Kritik und eine bundesweite Debatte zum Umgang mit jugendlichen Straftätern entfacht. So wandte sich auch das Überfall-Opfer mit einem Brief an Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD): Es sei für ihn wie ein weiterer Tritt ins Gesicht, dass der Täter wieder freigelassen worden sei, schrieb er.

Gestritten wurde nach dem Übergriff auch über einen von der Bundesregierung geplanten Warnschussarrest für junge Straftäter, den der Deutsche Richterbund als weitgehend wirkungslos ablehnt. Die Gewerkschaft der Polizei forderte mehr Polizeipräsenz in Großstädten, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) plädierte für ein bundesweites Alkoholverbot im öffentlichen Personennahverkehr.

Mitten in der Debatte kam es vor einer Woche zu einem weiteren brutalen Überfall in einem Berliner U-Bahnhof. In der Station Amrumer Straße überfielen am Donnerstagmorgen drei junge Männer einen 21-Jährigen, der Prellungen und Schnittverletzung erlitt. Die Schläger flüchteten unerkannt. Sie sind noch nicht gefasst. Trotz veröffentlicher Videobilder ging bei der Polizei erst ein Hinweis ein, sagte ein Sprecher am Donnerstag. Auf den Videos ist zu sehen, wie die Männer völlig enthemmt auf ihr Opfer einschlagen und einer gegen den Kopf des am Boden Liegenden springt.

Es ist nicht der Normalfall, dass eine Anklage so schnell nach der Tat wie bei dem 18-Jährigen folgt. Dazu sagte Staatsanwaltschafts-Sprecher Steltner, die Ermittlungen konnten wegen klarer Beweislage und des Geständnisses rasch abgeschlossen werden.

Die mutmaßlichen Schläger vom U-Bahnhof Lichtenberg sind indes noch nicht angeklagt. Die vier Jugendlichen, der jüngste mit 14 Jahren gerade strafmündig, sitzen in Untersuchungshaft. Ihnen werden gemeinschaftlicher Raubmord sowie gefährliche Körperverletzung vorgeworfen.

Zu diesem Gewaltexzess, der ähnliches Entsetzen hervorrief, kam es Mitte Februar. Die Jugendlichen attackierten einen 30-jährigen Handwerker mit Schlägen und Tritten so schwer, dass er danach für Wochen in ein künstliches Koma versetzt werden musste. Die Schläger waren ebenfalls alkoholisiert. Das Opfer leidet bis heute an den Folgen. Laut Staatsanwaltschaft sind die weit umfangreicheren Ermittlungen jetzt aber weit vorangeschritten.