Erik Lesser hat den deutschen Biathleten die erste Medaille bei den Olympischen Winterspielen von Sotschi beschert. Nach dem Coup des Thüringers war die Erleichterung im deutschen Team riesengroß.

Krasnaja Poljana. Der Bann ist gebrochen: Erik Lesser hat die deutschen Biathleten erlöst und mit Silber im 20-Kilometer-Einzelrennen die erste Olympia-Medaille für das deutsche Team in Sotschi gewonnen. Der Thüringer musste sich am Donnerstag nur Martin Fourcade geschlagen geben. Nach fehlerfreiem Schießen lag Lesser 12,2 Sekunden hinter dem Franzosen, der nach seinem Sieg im Verfolgungsrennen trotz einer Strafrunde auch den Biathlon-Klassiker gewann. Dritter in dem Krimi wurde an seinem 26. Geburtstag der Russe Jewgeni Garanischew, der 34,5 Sekunden hinter Fourcade lag.

„Im Moment überwiegt noch der Schmerz. Läuferisch habe ich mich heute nicht so gut gefühlt wie im Verfolger. Wenn das trotzdem zu einer Medaille reicht ist alles bestens“, sagte der 25-Jährige aus Frankenhain völlig ausgepumpt im Ziel nach dem Gewinn der deutschen Jubiläumsmedaille. Für die deutschen Biathleten war es das insgesamt 60. Edelmetall bei Winterspielen überhaupt.

„Das war unheimlich wichtig für die ganze Mannschaft. Jetzt ist der Druck weg“, befand Thomas Pfüller, der Sportdirektor der Deutschen Skiverbandes (DSV), mit großer Genugtuung. Die Skijäger waren nach den ersten vier medaillenlosen Rennen für ihre Leistungen heftig kritisiert worden.

Nach seinem Coup gab der Held des Tages im ZDF zu: „Nach den zwei Treffern beim letzten Schießen hatte ich schon ein bisschen den Stift in der Hose. Da haben meine Oberschenkel gezittert. Aber ich hab gedacht, jetzt musst du ein Killer sein und durchziehen. Zufrieden ist untertrieben.“

Über das Gesicht von Lesser huschte ein Lächeln, als er den 20. und letzten Schuss getroffen hatte. Bundestrainer Mark Kirchner ballte voller Freude die Fäuste. „Jetzt muss Erik marschieren, jetzt muss er alles geben“, sagte er. Und Lesser gab alles. „Nach dem vierten Schießen bin ich informiert worden, wie gut ich liege. Aber ich wollte auf der Schlussrunde nicht an die Medaille denken. Ich habe versucht, so schnell wie möglich zu laufen und mich voll zu konzentrieren“, sagte Lesser nach dem größten Erfolg seiner Laufbahn.

An die Zeit des vor ihm gestarteten Fourcades kam Lesser nicht mehr heran. Mit 9,6 Sekunden Vorsprung war der Thüringer auf die letzte Runde gegangen, am Ende fehlten ihm 12,2 Sekunden auf das vierte deutsche Gold über die 20 Kilometer. Peter Angerer war 1984 der erste der drei deutschen Olympiasieger im Einzel gewesen, Frank-Peter Roetsch holte das Gold 1988, Michael Greis war 2006 in Turin erfolgreich.

Lesser holte genau wie sein Trainer Kirchner 1992 in Albertville im Zwanziger die Silbermedaille. „Ich bin überglücklich“, sagte Kirchner mit feuchten Augen. Wenig später lagen sich Coach und Schützling in den Armen und wollten sich gar nicht mehr loslassen. „Er ist für mich der beste Trainer der Welt“, sagte Lesser. Er übertraf mit Olympia-Silber seinen Großvater Axel, der 1972 bei der nordischen Ski-WM mit der DDR-Staffel Silber gewonnen hatte.

Dass mit den deutschen Herren wieder zu rechnen ist, zeigte das gute Teamergebnis. Mit jeweils einer Strafminute wurden Daniel Böhm starker Zehnter, Simon Schempp 16. Andreas Birnbacher schoss zweimal daneben und wurde in seinem ersten Rennen in Sotschi 22. „Alle vier haben ein richtig gutes Rennen gemacht“, sagte Kirchner. Sein Kollege Fritz Fischer, ein weiterer Olympiasieger, befand: „Viermal Null und das in einem olympischen Rennen – ein Riesenkompliment an Erik. Wir wissen, was die Burschen können.“