Der deutsche Meister HSV zeigt beim 32:23 (13:12)-Heimsieg gegen den SC Magdeburg in der zweiten Halbzeit die Klasse der Vorsaison.

Hamburg. Nein, wirklich: Johannes Bitter konnte sich nicht erinnern, wann er in seiner Zeit als Handballprofi einmal so entspannt Weihnachten feiern konnte. Im vergangenen Jahr hat der Torhüter sogar am ersten Weihnachtstag spielen müssen. Diesmal sind dem HSV von heute an fünf spielfreie Tage vergönnt. "Ich glaube, die können wir alle genießen", sagte Bitter. Die Erinnerung an den gestrigen Abend in der O2 World wird ihn und die ganze Mannschaft warm ums Herz werden lassen. Mit 32:23 (13:12) gegen den SC Magdeburg hat der deutsche Meister seine Fans, vor allem aber sich selbst für manche Enttäuschung des zweiten Halbjahrs versöhnt. Oder, wie Bitter es schön formulierte: "Es streichelt unsere Handballseele."

War es wirklich erst vier Tage her, dass Bitter dem HSV gegen Wetzlar mit einem gehaltenen Siebenmeter in letzter Sekunde den Sieg rettete? Dass den Feldspielern bei jedem Wurf das Handgelenk zitterte und das Publikum mehr oder weniger lautstark sein Missfallen kundtat? Ja. Aber es war eben auch erst sieben Monate her, dass der HSV deutscher Meister wurde.

Diesem, dem besten HSV kam der gestrige zumindest eine Halbzeit lang sehr nahe: Er kombinierte gefällig im Angriff, kämpfte in der offensiven Abwehr um jeden Ball, nutzte jede Gelegenheit zum schnellen Gegenstoß und hatte in Bitter, mehr aber noch in Dan Beutler einen Rückhalt, wie ihn sich eine Handballmannschaft nur wünschen kann. Er verströmte sogar ein bisschen Zauber, als Stefan Schröder eine Vorlage von Renato Vugrinec in luftiger Höhe fing und mit einem Kempa-Trick das 27:17 erzielte. Man konnte sich in mancher Szene fragen, wo der HSV wohl stünde, wären Spiele wie dieses die Regel und nicht die Ausnahme dieser Saison gewesen.

Bitter rettet Hamburg den knappen Sieg gegen Wetzlar

Kein Fest vor dem Fest für die HSV-Handballer

Und doch konnte man nur allzu leicht vergessen, dass dieses Spiel vielleicht sogar ein Spiegelbild dieser Saison war. Lange Zeit konnte man einen verunsichert wirkenden HSV sehen, der sich vergeblich um eine spielerische Lösung bemühte. Als dann Marcin Lijewski nach 22 Minuten beim Stand von 11:11 mit einer schmerzhaften Rückenverletzung ausschied, schien der Meister ernsthaft ins Wanken zu geraten.

Doch der Eindruck täuschte, wie Hans Lindberg später versicherte: "Wir wussten, dass Magdeburg nach 45 Minuten müde werden würde." Es hat dann nicht einmal so lange gedauert, was kein Wunder ist. Jure Natek, Fabian van Olphen und Ales Pajovic, die drei gefährlichsten Rückraumspieler der Magdeburger, standen nicht zur Verfügung. Vergleichsweise leicht konnte der HSV den Ausfall von Torsten Jansen (Sprunggelenk) und später Marcin Lijewski verkraften.

Carlén konnte es sich sogar erlauben, Rechtsaußen Stefan Schröder erst in der Schlussphase einzuwechseln und das Publikum damit ein wenig gegen sich aufzubringen. Es gab ehrlich gesagt keinen Anlass zum Handeln. Denn Lindberg gelang an diesem Abend fast alles. Sogar die Siebenmeter. Vier davon hatte er zehn Tage zuvor in Kiel vergeben, Carlén hatte darauf Michael Kraus die Verantwortung übertragen. Gestern durfte sich dann wieder der Däne Lindberg versuchen. "Er war schon im Training unheimlich heiß", sagte der Trainer. Für Lindbergs Trefferquote (93 Prozent) fand er nur zwei Worte: "Total Weltklasse."

Man könne nun mit einem "guten Gefühl" in das Heimspiel gegen Göppingen am 27. Dezember gehen, den letzten Pflichttermin vor der EM-Pause. Dass der HSV danach noch die Wende in der Meisterschaft schafft, glaubt in Fachkreisen niemand mehr. Wie "Sport Bild" berichtet, zahlt der Internet-Wettanbieter Mybet sogar bereits all jenen den Gewinn aus, die auf Kiel als Meister getippt haben. Ist das nun Zockerei oder Realismus? Der HSV jedenfalls scheint den THW auf seinem Weg zur 17. Meisterschaft nicht gefährden zu können.

Von den Saisonzielen scheint eigentlich nur der DHB-Pokal erreichbar zu sein. Das Viertelfinalspiel des HSV am 29. Februar beim EHV Aue findet um 20.15 Uhr in der Erzgebirgshalle Lößnitz statt, Sport1 berichtet live. Wegen der hohen Kartennachfrage hatte der gastgebende Drittligist zunächst erwogen, nach Chemnitz oder Zwickau in eine größere Halle auszuweichen, entschied sich dann aber zugunsten seiner Fans für die heimische Spielstätte.

Tore, Hamburg: Lindberg 12 (3 Siebenmeter), Flohr 4, Duvnjak 4, B. Gille 3, G. Gille 2, Vugrinec 2, Schröder 2, Lijewski 2, Hens 1; Magdeburg: Jurecki 6, Rojewski 5, Doborac 4, Tönnesen 3 (2), Grafenhorst 2, Hornke 2, Weber 1. Schiedsrichter: Pritschow/Pritschow (Stuttgart). Zuschauer: 10 853. Zeitstrafen: 5; 6.