Eine Siebenmeter-Parade von Bitter rettete Hamburg den 25:24-Sieg gegen Wetzlar

Hamburg. Nein, so hatten sich die HSV-Handballer das Bundesligaduell gegen die HSG Wetzlar beileibe nicht vorgestellt. Das Spiel am Sonnabendnachmittag hätte wenige Stunden vor der Weihnachtsfeier im Restaurant Palazzo zu einem Fest vor dem Fest werden sollen. Stattdessen wurde es beinahe zum Desaster. Mit hängenden Köpfen trotteten die Hamburger nach Ende der Zitterpartie gegen den Tabellenzwölften durch die Katakomben der O2 World - tief versunken in Gedanken darüber, dass sie den 10 698 Zuschauern wahrlich keine überzeugende Vorstellung geboten hatten. Kein Lächeln war den Spielern zu entlocken, keine Freude über den 25:24-(13:10-)Sieg, der sich wohl wie eine Niederlage anfühlte.

Dabei war im Duell gegen die Mittelhessen lange Zeit alles nach Plan verlaufen. Hamburg präsentierte sich bissig in der Drei-zwei-eins-Deckung und strukturiert im Angriff. Nach 15 Minuten führte das Team von Trainer Per Carlén, der vorsichtshalber auf Torsten Jansen (rechter Fuß) verzichtete, 9:6. "Von der Bank betrachtet sah alles danach aus, als hätten wir das Spiel unter Kontrolle", bilanzierte Johannes Bitter, der zunächst seinem Kollegen Dan Beutler im Tor hatte Platz machen müssen. Doch der HSV versäumte es, die Führung auszubauen, sodass Wetzlar in der 19. Minute durch Kreisläufer Kari Kris Kristjansson ausgleichen konnte (9:9). Ein Weckruf für die Hanseaten.

Ab der 40. Minute, beim Stand von 19:14 für den HSV, funktionierte nur noch wenig von dem, was sich Carléns Team vorgenommen hatte. Die technischen Fehler häuften sich, das Angriffsspiel war bestimmt von Einzelaktionen, nachdem Wetzlars Trainer Gennadij Chalepo die Deckung in eine offensive Vier-zwei-Formation umgestellt hatte. "Gegen diese Abwehr haben wir keine Lösung gefunden", gestand Rückraumspieler Blazenko Lackovic. "Wetzlar hat uns den Schwung genommen."

Dramatisch wurde es für die HSV-Fans, als Rechtsaußen Hans Lindberg 32 Sekunden vor Schluss beim Gegenstoß den sicher geglaubten Siegtreffer vergab und Wetzlar die Chance zum Ausgleich bescherte. Trainer Chalepo brachte in Timo Salzer den siebten Feldspieler für Keeper Nikolai Weber - und Wetzlar nutzte die Überzahl. Nach einem Foul an Kristjansson zeigte das Schiedsrichtergespann Harms/Mahlich auf den Siebenmeterpunkt. Unglauben in den Gesichtern der HSV-Spieler, die sich sofort bei den Unparteiischen beschwerten. Doch alles Reden half nichts. Für die letzte Aktion des Spiels wechselte Carlén Johannes Bitter ein, der bereits zwei Strafwürfe pariert hatte. Gegen ihn trat Wetzlars Spielmacher Adnan Harmandic an - und verwarf. Bitter hielt und wurde zum glücklichen Helden eines noch glücklicheren HSV. Die Hamburger Spieler stürmten auf ihn zu, sprangen wie Kinder in die Höhe, und die Zuschauer honorierten die Leistung des 29-Jährigen mit "Jogi Bitter"-Rufen.

Die Euphorie des knappen Sieges jedoch wich schnell der Realität und der Frage, warum es nach den Niederlagen gegen Lübbecke und Kiel und dem knappen Pokalerfolg gegen die Rhein-Neckar Löwen abermals nicht für einen überzeugenden Auftritt gereicht hatte. Des Rätsels Lösung hatten die HSV-Spieler allerdings nicht parat: "Es gibt keine einfache Antwort auf komplexe Probleme", befand HSV-Kreisläufer Bertrand Gille, der die Trefferquote und den Spielfluss seines Teams monierte. Blazenko Lackovic sprach von physischer und psychischer Leere nach dem 70-minütigen Pokalkrimi in Mannheim. Und Johannes Bitter erinnerte an die Folgen der Verletztenmisere: "Marcin Lijewski etwa fehlt noch die Spritzigkeit. Das hat Auswirkungen auf seine Nebenleute." Trainer Carlén hingegen verwies auf die Schwäche des HSV, gegen offensive Deckungen zu bestehen. "Daran müssen wir arbeiten", so der Schwede. Gesprächsstoff gab es also genug für die Weihnachtsfeier im Palazzo. Und das in einer Woche, die dank Pokalerfolg und Zittersieg gegen Wetzlar wohl zu den glücklichsten in der Geschichte des HSV Hamburg gehört.

Tore HSV Hamburg: Flohr 5, Lindberg 4/1, Duvnjak 2, Kraus 2/2, Lackovic 2, Vori 2, G. Gille 2, Hens 2, Vugrinec 2, B. Gille 1, Lijewski 1. Schiedsrichter: Harms/Mahlich (Magdeburg/Stendal). Zuschauer: 10 698. Zeitstrafen: 1; 0.