Duvnjak, Gille oder Kraus: Die HSV-Handballer können beim Spiel heute Abend in Berlin zwischen drei Alternativen als Spielmacher wählen.

Hamburg. Als das Wort Comeback am vergangenen Sonnabend im Zusammenhang mit Domagoj "Dule" Duvnjak fiel, zuckte Martin Schwalb kurz zusammen. Allenfalls als "Arbeitsversuch" wollte der HSV-Trainer den zwölfminütigen Einsatz des Kroaten gegen die TSG Ludwigshafen-Friesenheim gewertet wissen, nur dazu da, das "Gefühl für das Spiel" wiederzufinden. Duvnjak hatte sich zwei Wochen zuvor ein Knorpelstück aus dem Knie entfernen lassen. Davon freilich merkten weder er selbst noch die 10 000 Zuschauer in der O2 World etwas. Und das Handballgefühl war spätestens wiedergefunden, als Duvnjak kurz nach seiner Einwechslung unnachahmlich ins Tor traf.

Man mag Schwalbs verhaltenes Verhalten unter Taktik verbuchen, zumal die Hamburger heute als Titelverteidiger und Tabellenführer der Bundesliga im Pokal-Achtelfinale beim Tabellenzweiten Füchse Berlin antreten (20.15 Uhr/Sport1). Das Spiel hat es in der Bundesliga Mitte Oktober in Hamburg bereits gegeben (31:27), nach Verbalgefechten zwischen Schwalb und Berlins Manager Bob Hanning schrieb der Boulevard von einem "Gift-Gipfel". Diesmal blieb alles ruhig. Der Pokal hat wohl auch da seine eigenen Gesetze.

Duvnjak, 22, wird heute erst einmal auf der Bank sitzen bleiben, er tat dies schon vor seiner Verletzung auch oft genug. Meistens nämlich lässt Schwalb Neuzugang Michael Kraus als Spielmacher anfangen. Am Sonnabend gelangen dem Nationalspieler erstmals zehn Tore für den HSV in einem Bundesligaspiel, und weil er dafür nur elf Versuche benötigte, wurde er von den Fans zum "Spieler des Tages" gekürt.

Guillaume Gille hat lange keine zehn Tore mehr für den HSV geworfen, was seine Chancen schmälert, zum Spieler des Tages gewählt zu werden. Aber genau betrachtet war es der Kapitän, der dem HSV die großen Spiele gegen Kiel und die Rhein-Neckar Löwen gewonnen hat. Beide Male gelang die Wende, nachdem Schwalb Gille in der Schlussphase die Regie übertrug, einem 34-Jährigen, dessen Zenit überschritten schien. "Er bringt Struktur ins Spiel, ist gestählt durch endlose Endspiele und nicht gestresst", sagt der sportliche Leiter über den Olympiasieger, Welt- und Europameister: "Seine Ruhe strahlt auf seine Mitspieler aus." Nun traut ihm der HSV doch ein zehntes Jahr zu, die Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung haben begonnen.

Im Hinblick auf den Angriff des Pokalsiegers wirft das eine simple Frage auf: Wer ist eigentlich der Boss? "Gino ist einer der wichtigsten Spieler im Verein", sagt Schwalb über Gille den Älteren, "er ist noch stabiler in der Abwehr geworden, lenkt die Mannschaft hervorragend und weiß, dass ich ihm vertraue." Der Trainer wiederum weiß, dass er Gille anders als Kraus auch bei einem Gegenangriff beruhigt auf der Platte lassen kann. Nicht zwischen Offensive und Defensive wechseln zu müssen aber ist ein entscheidender Vorteil in diesem Sport, der sich dramatisch beschleunigt hat.

Schnelligkeit ins Spiel zu bringen verstehen wenige so gut wie Kraus. Seinem dynamischen Antritt kann kaum ein Abwehrspieler widerstehen, seine Würfe sind oft ansatzlos. "Im Prinzip", sagt Schwalb, könne Kraus sogar decken. Einen klassischen Mittelmann aber, der vorn die Bälle verteilt und hinten die Abwehr zusammenhält, wird wohl auch er nicht mehr aus dem 27-Jährigen machen. Es ist das Dilemma von Bundestrainer Heiner Brand, seit sein alter Leitwolf Markus Baur abgedankt hat: Einen besseren Spielmacher als Kraus gibt es nicht. Nur dass ihm die Führungsaufgaben, die zur Arbeitsplatzbeschreibung gehören, manchmal zur Last zu werden scheinen.

Dass Duvnjak der Spielmacher der Zukunft ist, bezweifelt beim HSV niemand. "Für mich ist er einer der besten Handballer, die ich je trainieren durfte", sagt Schwalb über den Kroaten. Und zählt die Qualitäten auf, die dem HSV im vergangenen Jahr den ersten Handball-Millionentransfer wert waren: das Auge für den Mitspieler, den Zug zum Tor, die Fähigkeit, das Spiel zu lesen und zu lenken, die Abwehrstärke im Mittelblock. Schwalb ist sicher: "Dule Duvnjak ist das Gesicht des HSV in den kommenden zehn Jahren."

HSV-Rückraumspieler Krzysztof Lijewski muss morgen erneut an der linken Schulter operiert werden. Eine Untersuchung des Polen ergab eine "Irritation eines Nervs in der Wurfarm-Schulter". Damit fällt Lijewski bis auf Weiteres aus.